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Offener Wettbewerb | 06/2022

Errichtung eines Bücherdepots in Wien (AT)

Blick von der Bahntrasse am Tag

Blick von der Bahntrasse am Tag

Anerkennung

PPAG architects

Architektur

Erläuterungstext

TEAM: Anna Popelka, Georg Poduschka, Christian Wegerer, Anna Krumpholz, Maria Levitskaya, Mariia Samahala, Mykhailo Zhuk


WIENER BÜCHERSCHWARM
Neubau eines Bücherdepots
für die Universität Wien und 4 Partnerinstitutionen


Eine außergewöhnliche Aufgabe, so ein Bücherdepot. Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind konstant zu halten, ansonsten sind die Bücher genügsam. Sie beschweren sich nicht über Schall und Trittschall, sie brauchen, ja sie wollen kein Tageslicht. Daraus kann ein Typ entstehen!

Architektur & Städtebau
Architektonische Kriterien / Funktionale Kriterien / Ökonomische Kriterien
/ Umweltaspekte und Nachhaltigkeit / Städtebauliche Kriterien

Das Haus ist ein gigantischer Büchertürm aus zigtausend Bänden. Dieser ist, auch um Platz zu sparen, möglichst nach Norden zur Bahn gerückt. Der Fußabdruck ist möglichst sparsam, was der Nutzung nicht entgegensteht und Spielraum für spätere Entwicklungen zulässt. Deshalb nutzt das Gebäude die zulässige Höhe, jedoch ohne ins Hochhaus zu geraten. Der besondere Inhalt, das immense gespeicherte kollektive Wissen, drückt sich nach außen hin durch und verwundert die Vorbeifahrenden. Der Bücherspeicher bildet nach Norden eine zur Bahn hin abgestufte Silhouette aus, die von da aus möglichst weite Blickverbindungen zulässt. Nach Süden bildet sich eine maximale Anschlussfläche für Erweiterung und Photovoltaik. Die fast fensterlose Hülle ist zugleich unprätentiös innerhalb des Industrieareals und irritiert im gleichen Augenblick das Auge. 
Hier bringen nur wenige Menschen Leben ins Haus. Großteils entfaltet das Depot seine Qualitäten im Stillen. Nur die Bücher sehen zu. Das Gebäude kann aufgrund der speziellen reduzierten bauphysikalischen Anforderungen sehr sparsam und pur konstruiert werden. Aus der Einfachheit einer additiven modularen Bauweise und sorgfältigen Materialentscheidungen entsteht ein schönes Nutzgebäude. Das wiederum vielfältige Nachnutzungsszenarios zulässt.

Fassade: Bis auf das EG ist das Gebäude beinahe fensterlos. Von Decke zu Decke spannen silbern verzinkte mineralwollegedämmte Industriepaneele, die von der Primärkonstruktion getrennt sind. Sie sind recyclierbar und im Fall der Umnutzung leicht rückbaubar. Aufgrund des Brandüberschlags gibt es massive Parapete. Die Südfassade ist komplett photovoltaikbelegt.

Dächer: Ein Depot nutzt seine Dächer nicht. Daher bietet sich ein konsequentes Angebot sich völlig selbstüberlassener, unberührter Natur auf den Dächern an. Tiere – Fledermäuse, Eidechsen, Schlangen, Vögel, Insekten, Bienen…– und Pflanzen, die sonst zu sensibel für Menschennähe sind, können sich auf den abgetreppten Dächern ungestört einnisten. Der Erhalt der Biodiversität wird so auf unberührten Dächern unterstützt.

Freiraum: Das Gebäude ist frei in seiner Grundrissfiguration. Im EG können die Bäume im Nordosten erhalten werden. Sie tragen zur Aufenthaltsqualität für Bereitschaftsräume und Verwaltung bei. Hier befindet sich ein beschatteter Pausenbereich im direkten Anschluss an den Sozialraum sowie die Büros. 

Licht: Wo sich Menschen aufhalten, gibt es Fenster. Die Verglasungen sind in den Arbeitsbereichen mit entsprechenden Gläsern UV-undurchlässig. Das Stiegenhaus ist mit seinen Lufträumen über ein zentrales Oberlicht von oben nach unten abnehmend tagesbelichtet. Die Gänge auf den Etagen sind an den Enden ganz leicht tagesbelichtet (Museumsglas). Böden sind in amber-gelb pigmentiert zur Reduktion der Reflexion kurzer Lichtwellen.

Baugesetz, Baubestimmungen

Das Projekt entspricht vollinhaltlich den Anforderungen von Gesetz, Bebauungsbestimmungen und bautechnischen Richtlinien. Im Industriegebiet sind keine Abstandsflächen erforderlich. Die Gebäudehöhe wurde gem. Bauordnung §81 (2) ermittelt und beträgt: 18,87m.

Bauweise, Konstruktion, Materialität, Wirtschaftlichkeit

Die Tragstruktur des Gebäudes wird als sehr wirtschaftliche, robuste und materialminimierende Fertigteildecken-Rippenkonstruktion in Massivbauweise konzipiert. Die Rippen befinden sich unter den Schienen der Rollregale, je nach Fabrikat nehmen sie die Lasten dort auf wo diese anfallen. Alle Regale enden unter der darüberliegenden Deckenkonstruktionsebene. Doppel-T-Balkendecken liegen auf Punktstützen unterstellten Querunterzügen. Modulare Bauweise mit 8x8m Stützenraster lässt eine Anordnung der Regale in allen Richtungen zu. Gangfelder könnten im Fall später gewünschter Hochregale auch entfernt werden.
Die Aussteifung erfolgt durch den Kern und die brandabschnittsbildenden Innenwände. Alle Bauteile sind als Fertigbauteile konzipiert. Die Fundierung erfolgt über eine durch Kleinbohrpfähle unterstützte WU-Bodenplatte.
Die Spezialität der Aufgabe erlaubt eine Sparsamkeit und Purheit der Details, wie sie selten möglich sind. Verbundestrich mit Bauteilaktivierung und stellenweise im Erdgeschoß eingelegten Holzflächen (Holz­teppiche).

Funktion & Nutzung

Erweiterung, Nachnutzung: Direkt im Süden angrenzend ist die Erweiterung in mindestens gleich-großem Ausmaß möglich. Alle Anbindungen sind in allen Geschoßen bereits berücksichtigt. Die bestehenden PV-Module der ersten Baustufe können bei Erweiterung „übersiedelt“ werden. Die gewählte Geschoßhöhe (3,25m) ergibt eine über die Rippen und Unterzüge gemittelte Raumhöhe von min. 3,00m, was auch für andere Nachnutzungen geeignet ist.

Funktionsabläufe Betrieb: Das Erdgeschoß ist auf kurze Wege von Anlieferung über Sortierung zu Aufzügen optimiert. Es wurden zwei Aufzüge eingeplant, um für etwaige Funktionsstörungen und Wartungsarbeiten Betriebsredundanz zu gewährleisten.
Büroarbeits- , Sozial- und Bereitschaftsräume sowie der Besucher:innenbereich für „Magazinserlaubnis“ verfügen über eigenen baumbeschatteten Aufenthaltsbereich im Freien.

Nutzungsbereiche: Die Bereiche der verschiedenen Nutzer:innen sind allesamt über Türen separierbar. Ebenso sind die Bereiche mit speziellen raumklimatischen Bedingungen in abteilbaren Abschnitten der zugehörigen Nutzungsbereiche verortet. Der Nachweis der Erfüllung des Regalbedarfs (Laufmeter) wurde mit einem Konstruktionsfaktor der Regale von 1,03 geführt. Die Erfüllung ist zu 100% gegeben. Der Entwurf erlaubt gestalterische Anpassungen an rechtzeitig geänderten Bedarf.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit einer zur Bahn hin expressiven Kubaturentwicklung soll das Depot an einen „gigantischen Bücherturm aus zig-tausend Bänden“ erinnern. Durch seine starke Plastizität zeigt das Projekt ein für ein Depot außergewöhnliches Erscheinungsbild, das im Dialog mit den vorbeiziehenden Blicken der Bahnfahrenden dem Bauwerk eine signifikante, dynamische Erscheinung gibt, die nicht über die Oberfläche, sondern den volumetrischen Code des Gebäudes erzielt wird. Durch Abwicklung der zulässigen Gebäudehöhe wird eine ökonomische Balance zwischen niedrigen und überhöhten Kubaturen geschaffen, womit ein Gebäude mit einem geringen Fußabdruck möglich wird. Indem dieses Gebäude an den nördlichen Rand geschoben wird und sich dort der Haupteingang befindet, bleibt im Süden viel Raum für eine Erweiterung. Damit gelingt dem Projekt trotz seiner im Norden aufgelösten Struktur eine – paradoxer Weise – relativ schlüssige Raumökonomie, was vom Preisgericht gewürdigt wird. Die Organisation des Erdgeschoßes und der Regelgeschoße, die über  einen zentralen Kern erschlossen werden, erfüllt im Wesentlichen die gestellten Anforderungen an die Funktionalität. Die vom Skelettbau implizierte Offenheit im Grundriss wird allerdings durch die Kubaturentwicklung in den Obergeschoßen eingeschränkt. In diesem Zusammenhang stellt das Preisgericht die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Grünterrassierung. Auch wenn diese klimatisch nachvollziehbar ist, schwächt sie letztlich die Metapher des Bücherturms, womit die starke Grundidee des Projektes an Überzeugungskraft verliert. Die durch eine Wärmepumpe eingebrachte Erdwärme (Tiefensonden) wird im Verbundestrich zur Bauteilaktivierung genutzt, die vorhandene Lüftungsanlage ergänzt die thermische Konditionierung und dient auch zur Regulierung der Luftfeuchte. Bei den Depotflächen ist auch Fensterlüftung angedacht. Die extensiv begrünten Terrassen dienen auch zur Unterbringung einer PV-Anlage (200 kWp), welche auch auf der Südfassade sein kann.
Blick von der Bahntrasse bei Nacht

Blick von der Bahntrasse bei Nacht

Lageplan

Lageplan

Erdgeschoss

Erdgeschoss

Obergeschoss 1

Obergeschoss 1

Obergeschoss 2

Obergeschoss 2

Obergeschoss 3

Obergeschoss 3

Obergeschoss 4

Obergeschoss 4

Obergeschoss 5

Obergeschoss 5

Obergeschoss 6

Obergeschoss 6

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Schnitt Nord-Süd

Schnitt Nord-Süd

Schnitt Ost-West

Schnitt Ost-West

Blick vom vorbeifahrenden Zug 1

Blick vom vorbeifahrenden Zug 1

Blick vom vorbeifahrenden Zug 2

Blick vom vorbeifahrenden Zug 2

Blick vom vorbeifahrenden Zug 3

Blick vom vorbeifahrenden Zug 3

Diagramme

Diagramme