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Studienauftrag | 05/2022

Zentrum Papiermühle – neue Bauten für Ittigen (CH)

Teilnahme

Bauart Architekten und Planer AG

Stadtplanung / Städtebau

Chaves Biedermann Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

wh-p Ingenieure

Bauingenieurwesen, Tragwerksplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau
Die städtebauliche Setzung nimmt Bezug auf die ortsspezifischen Gegebenheiten: Das leicht abgedrehte Volumen des Hochhauses bildet das räumliche Scharnier zwischen der Grauholz- und Worblentalstrasse.

Die Volumina des Hochhauses und Sockelgebäudes fächern sich zur Worblentalstrasse leicht auf und nehmen den Bezug zur abfallenden Topografie auf. Durch das zurückgesetzte Sockelgebäude entlang der Worblentalstrasse entsteht eine platzähnliche Aufweitung des Strassenraums. Die Gewerbeflächen im Erdgeschoss orientieren sich zu diesem Platz und stärken so den Aussenraum. Die Adressierung des Hochhauses, durch einen volumetrischen Rücksprung mit Auskragung architektonisch akzentuiert, wird zur Papiermühle- und Grauholzstrasse ausgerichtet, was grundsätzlich die städtebauliche Verknüpfung zum Bahnhof und Worblentalstrasse stärkt. Durch die Abtreppung des Aussenbelags im Vorbereich des Turmes wird das nach Süden abfallende Terrain an die Niveaus im Gebäudeinnern angeglichen. Die Zufahrt zur Tiefgarage sowie die Anlieferung erfolgt über die Worblentalstrasse. Somit wird der urbane Charakter an der Worblentalstrasse weiter gestärkt. Die vorgeschlagene städtebauliche Setzung definiert so eine starke Trennung zwischen oben und unten, zwischen Norden und Süden und trotz der Wegeverbindung wird die Durchlässigkeit auf dem Areal als zu gering bewertet.

Freiraumgestaltung
Der städtebauliche Entwurf definiert einen klaren urbanen und «harten» Kontext im Süden und Westen des Areals und verknüpft sich nach Norden und Osten den «grünen» Landschaftsraum des angrenzenden Hanges. Der «pointierte» Übergang im Nordwesten vom Strassenbelag zur Grünfläche überzeugt das Beurteilungsgremium jedoch nicht. Die Zugänge zu den Wohnungen im Längsgebäude erfolgen entlang der Worblentalstrasse, der Bereich im Norden des Gebäudes funktioniert als grüner Rückzugsraum für die Bewohner/-innen.

Die Lesart der platzähnlichen Situation entlang der Papiermühle-/Grauholzstrasse und die daraus gezogene Schlussfolgerung der Adressierung des Hochhauses an diesem Platz wird hinterfragt. Die Baumpflanzungen entlang der Worblentalstrasse erzeugen zusammen mit dem Platz und den im Erdgeschoss angeordneten Nutzungen eine attraktive, boulevardähnliche Situation. Der grosszügige, zusammenhängende Grünraum im Norden des Hochhauses und des Längsbaus weist mit seiner maximalen Entsiegelung und seiner naturhaften Begrünung auf eine grosse Aufenthalts- und Nutzungsqualität hin. Durch das Verlegen der Zufahrt zu den Garagen der Liegenschaften Schulweg 2+4 zwischen das Hochhaus und den Längsbau wird die Aufenthaltsqualität des Platzes an der Worblentalstrasse leider geschwächt und der zusammenhängende Grünraum zerschnitten.

Architektonischer Ausdruck und Bauweise
Die Formgebung und Volumetrie des Hochhauses ist geprägt durch gezielte Einschnitte als Reaktion auf den unmittelbaren Kontext. Die Einschnitte nehmen Bezug auf drei Massstabsebenen: den Eingangsbereich im Sockel, den baulichen Kontext im Nordosten und die Fernwirkung des Turmes selbst. Die durchgängige gläserne Sockelfassade verknüpft Turm mit Annexgebäude. Die horizontalen, nach oben dünner werdenden, dunkelgrünen Brüstungsbänder gliedern und stärken die Vertikale des Turmes. Diese Fassadenbänder verknüpfen den architektonischen Ausdruck des Hochhauses mit dem des Längsgebäudes im Osten.

Die von den Verfasser/-innen vorgeschlagene Fassadengestaltung verleiht dennoch beiden Gebäude im Detail eine gewisse architektonische Eigenständigkeit. Der architektonische Ausdruck der Gebäude ist sehr sorgfältig durchdacht und die feingliedrige Strukturierung der Fassaden überzeugt das Beurteilungsgremium. Einzelne Massnahmen, wie beispielsweise die offenen Gebäudeecken im Bereich der Loggien im Turm, die geometrische Ausbildung des Rücksprünge oder die gestalterische «Verwandtschaft» der Fassaden von Hochhaus und Längsbau wurden von dem Beurteilungsgremium durchaus kontrovers diskutiert. Die Struktur des Hochhauses ist effizient und geprägt durch einem zentralen Erschliessungskern und einem vertikal durchlaufenden Stützenraster im Fassadenbereich in Stahlbeton, der Längsbau ist in Schottenbauweise aus Holz geplant. Die Konstruktionsweisen wirken kohärent und den Gebäuden und der Aufgabe angemessen.

Nutzung und Grundrissgestaltung
Die Grundrissorganisation folgt dem strukturellen Konzept des Turmes. Die Nebenräume sind um den zentralen Erschliessungskern angeordnet. Alle Wohnungen sind über Eck angeordnet und die Wohnräume werden durch die jeweiligen Eckloggien gegliedert. Im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss des Turmes und des Sockelbaus sind verschiedene Gewerbeflächen vorgesehen. Eine grössere Gastrofläche an der Ecke zur Worblentalstrasse bildet einen zentralen Anlaufpunkt. Die grösseren Wohnungen (Atelier- und Duplexwohnungen) sind im Längsbau geplant. Hier sind alle Wohnungen zu zwei Seiten orientiert (durchgestecktes Wohnen) und verfügen über einen grosszügigen, privaten Aussenbereich. Der Vorschlag Atelierwohnen auf dem Niveau der Worblentalstrasse anzubieten wird begrüsst, somit kann auf weitere, an dieser Stelle nur schwer vermietbare Gewerbeflächen verzichtet werden und die Kombination von Wohn- und Arbeitsnutzung entsprechend heutigen Bedürfnissen gefördert werden.

Gesamtwürdigung
Den Projektverfasser/-innen ist es gelungen einen sorgfältig ausgearbeiteten und in grossen Teilen überzeugenden Vorschlag zu entwickeln. Sowohl unter städtebaulichen als auch architektonischen Aspekten wurden Lösungen entwickelt, die sich schlüssig aus dem spezifischen Ort ableiten lassen. Das Hochhaus wird durch die offenen Loggien eindeutig als Wohngebäude gelesen und die Nutzungsüberlegungen im Längsbau überzeugen. Doch, obwohl der Bauperimeter des Turms weiter ausgenutzt wurde und das Volumen des Sockelgebäudes entsprechend reduziert werden konnte, wird die Durchlässigkeit dem Areal in Nordsüdrichtung durch das Sockelgebäude nach wie vor stark eingeschränkt. Auch die Entscheidung der Adressierung des Turmes in Richtung Westen bleibt nicht ohne Zweifel, es fehlt hier ein adäquates Gegenüber. Das Projekt wird aber insgesamt als präzise durchdacht, architektonisch hochwertig und der Aufgabe und dem Ort als angemessen gewürdigt.