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2. Rang 3 / 3

Werkstattverfahren | 08/2022

Neugestaltung Stiftsplatz in Bonn

Grüne Oase

Grüne Oase

Teilnahme

urbanegestalt

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

3 Herzen - 1 Platz

Der Stiftsplatz, im Spannungsfeld der historischen Kirchenfassade, des Christusbrunnens und der Nachkriegsbebauung, wird im Zuge einer zeitgenössischen Platzgestaltung zu einer grünen Oase. Die vom Baumbestand geprägte, achsiale räumliche Grundordnung wird angenommen, in der Längsachse neu gegliedert und durch die gebrochenen Linien des Entwurfs gestalterisch angereichert. Durch das Herausnehmen der Stellplatzfunktion darf der Raum gänzlich neu gedacht werden. Das zentrale Entwurfselement sind drei kreisförmig herausgearbeitete Momente, die jeweils unterschiedliche Thematiken verfolgen. Im Norden entsteht ein Boulevard, welcher die einzelnen Bereiche verbindet. Die heutige Einbahnstraße verwandelt sich in eine beruhigte Flaniermeile, was die Öffnung und Interaktion der Erdgeschosse mit dem öffentlichen Raum fördert.
Der Entwurf setzt einen hohen Entsiegelungsgrad um, wovon die Anwohnenden und auch das lokale Ökosystem stark profitieren. Die bestehenden Baumreihen stecken die Grundstruktur des Platzes und des entsiegelten Bereichs ab und können vollständig erhalten werden.

Das historische Herz setzt die historischen Gegebenheiten in Szene und porträtiert deren Bedeutung im Stadtbild. Am westlichen Ende des Platzes liegen Kirche, Brunnen und Bunkereingang eingebettet in einer die Kölnstraße überspannenden, offenen Platzstruktur. Hier sind vielfältige Nutzungsszenarien erwünscht, der Platz richtet sich an die allgemeine Öffentlichkeit; die viel genutzten Wegebeziehungen, der Brunnen und die Aktivitäten der Kirchengemeinde beleben den repräsentativen Raum. 

Der Bunker wird nach Instandsetzung einseitig zugänglich gestaltet. Eine auffahrbare Abdeckung erlaubt die bündige Einbindung des vorhandenen Treppenzugangs in den Platz. Im Alltag symbolisiert der Deckel auf dem Zugang die, unter der Erde verborgene, Stadtgeschichte. Der Bunker wird Samenbunker für das grüne Herz und kann zu Veranstaltungen zugänglich gemacht werden.

Das mittig liegende grüne Herz wird mit Fokus auf nachhaltige und ökologische Gestaltung als großzügige Wildblumenwiese geplant. Ein objekthaft gestaltetes Insektenhotel bildet auf der Wiese einen Blickfang und eine Insektensiedlung aus. Eine leicht erhabene Stegkonstruktion erlaubt den Zugang, schmal, hier kann man nur hintereinander gehen, die Wiese besuchen und am Knotenpunkt sich niederlassen und beobachten. Naturfreunde, Besucher:innen und Schulklassen werden so gezielt durch die Fläche geleitet, die naturnahe Zonen vor regelmäßigem Überlaufen geschützt. Im Samenbunker werden die Blüten getrocknet und Werkzeuge gelagert. In Zusammenarbeit mit dem Imkerverein oder der Uni Bonn kann so ein Betriebs- und Vermittlungskonzept entwickelt werden.

Das schlagende Herz verbindet Aufenthalt und Durchquerung. Am östlichen Platzabschluss werden infrastrukturelle Anforderungen wie Mobilitätsstation und Unterflursystem entlang der Welschnonnenstraße gesammelt und bilden einen angenehmen, betriebsamen Ort und dem Park Abstand zur lauten Straße. Die Grünfläche ist als kleiner Quartierspark mit verschiedenen Freizeitangebote gestaltet. Sitzgelegenheiten und eine Liegewiese laden zum Verweilen ein, Tischtennisplatte und Schachtische zum Spielen. Bühne und Sitzbogen schaffen Interaktion zwischen Besucher:innen.

Materialität
Die derzeit auf dem Stellplatz liegenden Kleinsteine werden im Platz wiederverwendet, als verbindende Pflasterfläche und unter Einmischung der farbigen Steine. Die befestigten Flächen der Kreise sind mit ungebundenem Natursteinpflaster im Mittelformat belegt. Die Grünflächen liegen auf 30 cm Oberboden und darunter (wo der Bunker es zulässt) auf tiefgründig aufgelockertem, anstehenden Boden. Das Sondermobiliar ist aus Holz des Kiribaums vorgesehen.
Um natürliche Tag- und Nachtzyklen der Fauna nicht zu stören, wird eine zielgerichtete LED-Beleuchtung mit Abregelung vorgesehen, welche warmweißes Licht verwendet. Eine Sonderbeleuchtung wird an der Kirche und den Eckgebäuden vorgesehen, um die verbindende Kreisform über die Kölnstraße auch nachts erlebbar zu machen.

Verkehr
Die zwei E-Parkplätze bilden als einzige Stellflächen für PKW eine Sonderposition auf dem Platz, werden über die südliche Einbahnstraße erschlossen, die Ausfahrt erfolgt über den Boulevard. Die Neustrukturierung des Verkehrs gestaltet die nördliche Einbahnstraße zu einer Zone für Fuß- und Radverkehr, die zeitlich begrenzt Anlieferungen zulässt. Die Zufahrt erfolgt weiterhin von der Welschnonnenstraße und leitet zur Kölnstraße, auf der in beide Richtungen abgebogen werden kann. Die Verkehrsinsel auf den Kölnstraße kommt ohne Lichtsignalanlage aus, der Platz wird optisch und atmosphärisch über die Straße verbunden, ohne den Verkehrsfluss auf der Kölnstraße zu unterbrechen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf arbeitet bewusst gegen die Linearität des Ortes und schlägt als Antwort eine neue Formsprache für die Umgestaltung des Stiftsplatzes vor. Der Entwurf verknüpft den Stiftsplatz durch einen kreisförmigen Belag mit der Stiftskirche. Zwei weitere Kreise sind den Themen Ökologie / Artenvielfalt und Aktivität gewidmet. Die Ausgestaltung der fußläufigen Querungsmöglichkeit der Kölnstraße in Form einer Verkehrsinsel wird von der Jury kritisch gesehen.

Die Jury würdigt die starke Ausarbeitung des Entwurfs hinsichtlich der Themen Ökologie und Biodiversität. Auch die Integration eines Staudensaums wird von der Jury begrüßt. Die vorgeschlagene Nutzung des unterirdischen Bauwerks in Form eines Samenbunkers fügt sich schlüssig in das Konzept ein. Die Dimensionierung des „grünen Herzen“ sowie die Realisierbarkeit einer Wildblumenwiese wird jedoch aufgrund des hohen Nutzungsdrucks an diesem Standort in Frage gestellt.

Die Lage der Sitzbänke mit Rücklehnen wirkt aufgrund der vorgegebenen Blickrichtung nicht gut positioniert. Die Aufenthalts- und Nutzungsqualität der vorgeschlagenen Verweilorte wird von der Jury kritisch gesehen.

Die Jury begrüßt die neu geschaffene, zentral platzierte Verbindung zwischen der nördlichen und südlichen Platzfläche. Gleichzeitig ist die Nutzung der in Teilen sehr kleinteiligen oder restriktiv zu verstehenden Angebote nur eingeschränkt barrierefrei möglich.

Die Anfahrbarkeit der E-Ladesäule wird von der Jury kritisch gesehen, da zusätzlicher Verkehr über die nördliche Mischverkehrsfläche gelenkt wird. Die Jury würdigt diesen Ansatz, der zukunftsweisende Ideen zum Umgang mit dem Thema Ökologie und Biodiversität in der Stadt beinhaltet.

Lageplan

Lageplan

Konzeptdiagramm

Konzeptdiagramm

Stiftsplatz bei Nacht

Stiftsplatz bei Nacht

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