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Studienauftrag im selektiven Verfahren | 06/2022

Neugestaltung Schiffländi in Stein am Rhein (CH)

2. Rundgang

raderschallpartner ag landschaftsarchitekten bsla sia

Landschaftsarchitektur

Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure AG

Bauingenieurwesen

Atelier Dreher

Lichtplanung

Erläuterungstext

konzept
Die Schiffländi ist seit der Besiedlung vor weit über tausend Jahren ein Ort des Warenumschlags am Rhein, ein Dreh- und Angelpunkt zwischen Land und Wasser.
Gemäss der historischen Entwicklung gliedert sich der Ort in drei Teilbereiche: Der Nordwesten war Teil der Befestigung mit Stadtmauer und Gebäuden, der mittlere Abschnitt der klassische Umschlagplatz, offen, gekiest, mit Schuppen und Buden an wechselnden Orten nach Bedarf, der südliche Teil wurde erst um 1900 mit aufkommendem Tourismus zur Promenade aufgeschüttet und mit einer Baumreihe geschmückt.
Die heutigen Nutzungen unterscheiden sich nicht grundsätzlich von den althergebrachten: anstelle von Waren passieren und frequentieren heute vor allem Menschen den Platz. Und auch die historische Dreiteilung entspricht auf selbstverständliche Art den aktuellen Wünschen und Anforderungen an den Ort:

atmosphäre
Die Hausfassaden der Stadtkante prägen den Ort im Zusammenspiel mit der grosszügigen Belagsfläche und den rahmenden Baumpaketen. Die Platzfläche erstreckt sich gleichmässig von den Fassaden bis zur Wasserkante, die offene Mitte wird seitlich von Baumhainen gefasst und mittig vom hohen Dach des Baldachins akzentuiert. Je nach Jahres- und Tageszeit erlebt der Ort sehr unterschiedliche Intensitäten, diesem Wechsel soll er sich nahtlos anpassen können und immer einladend sein.

sommer
Die Schifffahrt ist von April bis Oktober täglich zwischen 11 und 19 Uhr in Betrieb. In dieser Zeit herrscht ein reges Kommen und Gehen auf dem offenen Platz. Die Gastronomie hat Sommerbetrieb, alle Tische stehen draussen, Kübelpflanzen verbreiten ein mediterranes Flair und bieten zusammen mit Sonnenschirmen auch Schattenplätze. Die gemischten Baumhaine bieten Sitzplätze im lichten Schatten unter dem Laubdach an, Trinkbrunnen löschen den Durst und kühlen. Das Rheinwasser speist einen Wasserlauf und benetzt Teile des mineralischen Platzes bei sommerlicher Hitze. Gross und Klein werden zum Eingreifen in diesen Wasserkreislauf eingeladen und zum Spielen animiert. Der Baldachin bietet Schutz vor Sonne und Regen. Morgens und abends gehört der Ort wieder den Einheimischen für Märkte, Theater, Konzerte, Lesungen, Open Air Kino, Boule-Turnier: der Platz bietet eine Bühne.

winter
Der Platz wird stiller, die Touristen fehlen weitgehend, es geht gemächlicher zu. Vor den Restaurants stehen nur noch die winterharten Kübelpflanzen und wenige Tische für schöne Wintertage entlang der Fassade, der Rest ist weggeräumt, so dass die Grösse und Offenheit des Ortes zur Geltung kommt. Die Baumhaine sind laublos und transparent, die gesamte Stadtfront wird sichtbar. Der Baldachin hat seine Ausleger heruntergeklappt und sich in ein halbtransparentes Glashaus verwandelt welches die mediterranen Pflanzen beherbergt. Palmenblätter und Zitrusfrüchte verheissen auch im Winter einen nächsten Sommer und heitern die kurzen Wintertage auf. In den Abendstunden leuchtet das Glashaus als pflanzenbestückte Laterne über den Platz. Der Weihnachtsmarkt in der Altstadt findet eine stimmungsvolle Ergänzung auf der Schiffländi.

materialien
Die Schiffländi wird mit Naturstein in unterschiedlichen Verlegearten belegt, die sich von der Altstadtpflästerung deutlich unterscheiden und den Ort vor der Stadtkante auszeichnen. Breite Plattenbänder gliedern ihn in Felder, die mit Kleinsteinpflaster, Platten in Reihen- oder Fischgratmuster, Wildpflaster oder auch Flusskieseln belegt werden. Die Beläge entlang der Hauptverbindungen sind so verlegt, dass mobilitätseingeschränkte Menschen keine Hindernisse haben, die Bänder sind wo sinnvoll als taktile Leitlinien bearbeitet. Der grösste Anteil wird aus hellem Dolomit in unterschiedlichen Formaten gebaut, so dass der Platz einen hellen Farbwert aufweist. Auch die seitlichen Kiesflächen werden hell abgestreut, so dass der lichte Schatten der Blätter schön zum Tragen kommt. Der Bereich der Promenade wird als Kiesrasen gebaut, dieser Bereich vor den vorwiegend privaten Wohnhäusern darf vergrünen und dadurch auch weniger städtisch auftreten.

vegetation
Die Baumplätze nehmen das Thema der bestehenden Kastanien und des Ahorns auf, werden aber mit mehreren Arten ergänzt und zu kleinen gemischten Hainen ausgebildet, die den Ansprüchen an eine hohe Biodiversität und an ein zukünftiges wärmeres und trockeneres Klima gerecht werden. Die Wuchsgrössen von durchschnittlich 10-15m sind auf die Stadtkulisse abgestimmt, Herbstfärbungen, Früchte, Blüten und Duft akzentuieren die Jahreszeiten.
Die rotblühenden Kastanien auf dem Stäckemäärkt erhalten im Promenadenhain ein Pendant mit den gelbblühenden Kastanien. Ergänzt werden sie mit Feldahorn, Schneeballblättrigem Ahorn, Oxelbeere, Traubenkirsche und einer kleinen Form der Winterlinde.
In den Gartenwirtschaften verbreiten blühende und duftende Kübelpflanzen eine mediterrane Stimmung.

baldachin / orangerie
Winterharte Pflanzen wie Bitterorange, Orangenblume, Mönchspfeffer, Bartblume und Hanfpalmen können auch draussen überwintern, ein Umzug in die Orangerie ermöglicht aber ein grösseres Pflanzenspektrum und bereichert den Winterauftritt der Schiffländi.
Holzmasten tragen die Dachpaneele mit einer Doppelverglasung, in welche ein bedruckter Stoff eingelegt ist zur Verschattung des Wartebereiches (System okalux). Es entsteht ein geschmückter Baldachin für die Wartenden, ähnlich den Deckenfresken eines Kirchenraums. Der Stoffbaldachin nimmt die Tradition der bildergeschmückten Fassaden auf und interpretiert sie neu. Die Fronten, ebenfalls doppelverglast mit semitransparenten Textileinlagen, können mit einem einfachen Seilzugsystem im Sommer als seitliche Dächer fixiert werden, im Winter bilden sie die Wände der unbeheizten Orangerie. Die althergebrachte Technik, mit der Abwärme von verrottendem Pferdemist ein Gewächshaus zu temperieren, wird ausserdem aufgegriffen um den Raum zusätzlich zu wärmen.

klima und ökologie
Helle Beläge, unversiegelte Flächen, Pflästerungen mit mehrheitlich offenen Fugen, ein offener Wasserlauf, temporäre Wasserflächen auf dem Platz, zwei Baumdächer mit grosser Verdunstungsleistung, die Nähe zur grossen Wasserfläche des Rheins: dies alles sind Mittel zur Erreichung eines angenehmen Mikroklimas auf der Schiffländi.
Alle neu hinzugefügten Baumarten gelten als Zukunftsarten, sie sollten mit heissen und trockenen Standorten gut zurechtkommen. Gleichzeitig haben sie eine hohe Ökosystemleistung und einen hohen Biodiversitätsindex. Ergänzend dazu bieten die blütenreichen Kübelpflanzen über viele Monate ein reiches Nahrungsangebot für Insekten.

ausstattung
Die Spielregeln für die Gartenwirtschaften sichern einen bunten und lebendigen, aber hochwertigen und aufeinander abgestimmten Auftritt dieser Bereiche. Raffinierte Pflanzkübel in verschiedenen Grössen gewähren ein einfaches Umtopfen der wachsenden Pflanzen ebenso wie ein sicheres Aufstellen auf schiefen Flächen, der Wasserstand hilft beim Gedeihen auch in trockenen Zeiten. Maximale Grösse und Farbpalette der Sonnenschirme sind vorgegeben, Werbung ist nicht erlaubt. Das Mobiliar muss Qualitätsstandards einhalten.
Ausserhalb der Gartenwirtschaften kommt die Sitzmöbelfamilie 'Landscape' zum Einsatz. Sie bietet viele aufeinander abgestimmte Möglichkeiten: vom klassischen Sitzbank mit Armlehne auch für ältere Menschen über breite Sessel bis zu ganzen Sitzlandschaften.
Der kleine Wasserlauf und auch die temporären Wasserflächen werden mit Rheinwasser betrieben. Eine Schwingelpumpe lädt grosse und kleine Kinder ein, die Flächen zu benetzen oder den Wasserlauf zu intensivieren. Das künstliche Bächlein ist Inspirationsquelle für zahllose Spielmöglichkeiten.




entsorgungskonzept
An zwei gut zugänglichen zentralen Stellen wird ein Unterflur-Trennsystem mit hohem Fassungsvermögen positioniert. Ergänzend dazu werden dezentral in den Baumhainen als niederschwelliges Angebot mehrere klassische Abfallkübel aufgestellt.

verkehr
Für die Anlieferung und die Blaulichtorganisationen bietet ein ausreichend breiter Korridor entlang der Baumhaine den notwendigen Manövrierraum. Der Wendekreis ist auf dem Platz vor der Metzggass, die freie Fläche für die Bühne auf Höhe der Choligass. Veloabstellplätze sind in die Ränder der Baumhaine integriert. Die Fahrgastführung bei der Schiffsanlegestelle wird einerseits mit im Boden eingelassenen Linien und Symbolen markiert und zudem wird an der Unterseite des Daches die Einteilung und der Name 'Stein am Rhein' angebracht. Die Fahrplaninformationstafeln werden während der Saison an den vorderen Eckpfosten des Baldachins montiert und im Winter eingelagert. Digitale Anzeigekästen kommen allenfalls beim Ticketschalter zum Einsatz.

wirtschaftlichkeit
Das Projekt arbeitet mit einfachen und nachhaltigen Materialien, die eine hohe Lebensdauer aufweisen und wiederverwertbar sind. Für die Bodenbeläge können dank der Felder gut auch gebrauchte Steine unterschiedlicher Art zum Einsatz kommen. Es lässt sich in Teilbereiche gliedern und in Etappen realisieren. Der Baldachin lässt sich gut vereinfachen und als Variante ohne den Zusatznutzen der Orangerie projektieren. Bei einer Volksabstimmung könnte die Orangerie als Zusatzoption separat zur Abstimmung kommen.

lichtgestaltung
Das Lichtkonzept bezieht sich konsequent auf die raumgestaltenden Elemente. So ist das Licht
einerseits in die Baumgruppen, andererseits in den Baldachin auf der Platzmitte integriert.
Durch die Integration entsteht eine ruhige Gliederung des Raumes, welcher auch nachts seine Identität behält. Die Beleuchtung wird zum verbindenden Element, das Stimmung und Sicherheitsempfinden schafft und dabei die Aufenthaltsqualität wie auch die Durchgangsfunktion berücksichtigt.

In den Baumgruppen werden einzelne Kandelaber mit zwei bis drei nach unten gerichteten Strahlerköpfen eingesetzt. Dadurch entstehen Lichtinseln wie auch Schattenkorridore, die optimal auf den Raum unter den Bäumen ausgerichtet werden können. Eine zusätzliche Schattenstruktur, wie wenn das Licht durch die Blätter der Bäume fallen würde, führt zu einer natürlichen Reduktion der Lichtmenge, ohne dass die Helligkeit der einzelnen Lichtpunkte verringert wird, und schafft eine weiche, spielerische Atmosphäre.
Der Bereich unter dem Baldachin und die angrenzende Platzfläche werden von integrierten Downlights flächig aufgehellt. Ein zweites Beleuchtungselement unterstreicht die filigrane Architekturstruktur.
Wird der Baldachin im Winter als Orangerie genutzt transformiert er sich durch die integrierte Beleuchtung zur sanft schimmernden Laterne.
Nebst den gestalterischen Kriterien ist zu beachten, dass die Schiffländi nicht zuletzt ein Lebensort diverser Tierarten ist. Lichtemissionen in den Nachthimmel oder an das angrenzende Ufer und die Natur werden vermieden, zudem wird eine sehr warme Lichtfarbe eingesetzt.
Mit zunehmender Dunkelheit und saisonal abgestimmt werden die verschiedenen Lichtgruppen separat gedimmt und teilweise abgeschaltet. Die Nacht erhält ihren Platz, und es wird nur so viel Licht belassen, dass sich Menschen noch sicher bewegen können und die Natur ein Rückzugsort für verschiedenste Tiere bleibt.