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Offener Wettbewerb | 12/2022

Neues Theater Luzern (CH)

2. Rang / 2. Preis

Preisgeld: 60.000 CHF

FHV Fruehauf Henry & Viladoms

Architektur

Studio Vulkan Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

laterza graf baupartner gmbh

sonstige Fachplanung

Schnetzer Puskas Ingenieure AG

Bauingenieurwesen

Jakob Forrer AG

BIM-Management, Bauphysik, TGA-Fachplanung

SF Projects, Ingenieurbüro für HLS-Technik

TGA-Fachplanung

Elprom AG

Energieplanung

Kahle Acoustics

Akustikplanung

The Space Factory

Sonstige

Axet GmbH

sonstige Fachplanung

Fire Safety & Engineering SA

Brandschutzplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt beeindruckt durch eine städtebauliche und architektonische Radikalität, die ortsspezifische Eigenheiten thematisiert, aber jede Anlehnung an den baulichen Kontext ausschliesst, und dem Theater als bedeutende gesellschaftliche Institution eine ausgeprägte Präsenz verleiht, ohne der Jesuitenkirche «die Rolle als Protagonistin» streitig zu machen. Es muss als ein starkes, selbstbewusstes Statement einerseits zum Ort zwischen Reuss und Neustadt, andererseits zur Funktion und gesellschaftlichen Bedeutung des Theaters gelesen werden. Die formulierte Haltung wird im Querschnitt exemplarisch verdeutlicht. Der weit in die Bahnhofstrasse vorgeschobene, vollständig verglaste Publikumsbereich wird gleichsam Teil des Stadtraumes und das Theater damit im öffentlichen Leben des Ortes verankert, der Strassenabschnitt zum Theaterplatz erklärt und mit dem folgerichtigen Verzicht auf die beiden Baumreihen das Gebäude auf die gegenüberliegende Altstadt ausgerichtet. Das dominante schützende Schrägdach betont nicht nur die Einzigartigkeit des Gebäudes in seiner Funktion als Neuen Luzerner Theaters, sondern überhöht den Publikumsbereich, bestehend aus dem ideal platzierten Eingangsbereich am Kreuzungspunkt der Fussgängerströme, dem Foyer und Restaurant.
Das steile Dach über dem Foyer- und Restauranbereich wird kontrovers beurteilt: Vom Rathaus aus betrachtet scheint es das Innenleben des Theaters zu verbergen. Doch es verdeckt eigentlich nur die Black Boxes, der Bühnen- und Veranstaltungsräume und einige Technikräume, während es gezielt Öffnungen frei lässt, die den überhohen, nach oben sich verjüngenden Raum auf eindrückliche Weise inszenieren. Ein oberer Schlitz über die ganze Länge des Gebäudes öffnet den Raum zum Tageslicht spendenden Himmel, während das Fensterband auf Stadtniveau den Blick des Publikums auf die Häuserfront der Altstadt lenkt und umgekehrt von aussen Einblick auf das Geschehen vor und nach Aufführungen gewährt und damit das Theater im städtischen Raum verankert.
Die in einer angrenzenden Raumschicht zum Foyer offen geführte monomentale Treppe hinauf zum Studio im 2. Obergeschoss hält leider nicht was sie verspricht. Man würde erwarten, dass sie in einem attraktiven Raum oder vor einer Öffnung mit Blick auf die Jesuitenkirche endet. Stattdessen führt sie auf eine geschlossene Wand mit der Tür zur Schleuse des Studios, das zudem räumlich und funktional nicht den Vorstellungen des Theaters entspricht. Vielleicht muss das Element der Treppe eher in die umgekehrte Richtung gedacht werden, als Bühne für den Auftritt von illustren Gästen, die nach einem Empfang im Studio vor einer Aufführung feierlich von oben nach unten schreiten, um sich in den Saal zu begeben.
Der Ausdruck der Fassade zur Altstadt wird in bewusstem Kontrast zur Front der Jesuitenkirche ausschliesslich von den zwei horizontalen Elementen, der Fläche des schrägen Dachs und der Öffnung unter dem Dach bestimmt. Das einzige vertikale Element, der erforderliche Bühnenturm, halb verdeckt vom prominenten Dach, soll möglichst zum Verschwinden gebracht werden, in dem seine Oberfläche farblich mit dem landschaftlichen Hintergrund verschmilzt.
Das Theater wird als «Werkstatt» verstanden. Die Darstellung des Foyers wirkt kühl und entspricht dem minimalistischen, «abstrakten» Ausdruck des Äusseren. Der Ausdruck erinnert eher an ein Labor oder an Foyers von deutschen Theaterbauten der 1950er Jahre.
Zum Hirschengraben und zur Neustadt kehrt der Bau mit einer transparenten Fassade die Welt der Theatermacher nach aussen. Das einsichtbare Tageslager für Prospekte und Kulissen auf Erdgschossniveau gewährt einen Blick «hinter die Kulissen». Das ist für den Strassenraum attraktiver als eine geschlossene «Rückfassade» und vermag bei Passanten vielleicht die Neugier auf Theater zu wecken. Mit seiner modernistischen «urbanen» Fassade reiht sich der Bau problemlos ein in die heterogene Bebauung der Neustadt.
Die Strategie der Nutzungsanordnung, alle wichtigen Publikums-, Veranstaltungs- und Bühnenräume in nutzungsspezifischen Schichten auf dem Erdgeschoss anzuordnen, die einen Richtung Reuss, die anderen Richtung Neustadt, zielt auf eine möglichst direkte und hindernislose Erreichbarkeit der Räume und auf eine klare Trennung der Bereiche Betrieb und Öffentlichkeit und auf eine möglichst geringe und damit verträgliche Gebäudehöhe. Wertvoll ist der grosse gedeckte Vorbereich für den Aufenthalt des Publikums vor der Aufführung und während Pausen. Der räumlich grosszügige Publikumsbereich bietet dem Publikum eine gute Orientierung und steht für ein «offenes Haus».
Verschiedene Faktoren, wie der mangelnde Spielraum aufgrund des grosses Flächenbedarfs auf Stadtebene oder die angestrebte Stringenz der Raumstruktur führen im Detail, so ist zu vermuten, aber auch zu funktionalen und betrieblichen Defiziten. So ist das Foyer, weil es sich den Raum mit dem Restaurant teilt, für Veranstaltungen wie Einführungen ungeeignet. Nicht optimal ist auch der Zugang zu den beiden Sälen über einen relativ schmalen Stichgang.
Das Projekt gleicht einem logisch konstruierten Apparat aus funktional, architektonisch und in ihrer Bedeutung für den Stadtraum präzise bestimmten Elementen, die passgenau ineinandergreifen wie in einem Puzzle. Das heisst aber nicht, dass er für jede Theaterproduktion reibungslos funktioniert. Die Stärke des Projekts liegt in der entschiedenen Stellungnahme zum Ort und zur Bedeutung des Theaters als öffentliche Institution und der glasklaren architektonischen Haltung.