modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Sonstiges Vergabeverfahren | 10/2022

Wohnbebauung Neues Hulsbergquartier - Baufeld 2 im St.-JĂĽrgen-Quartier, Bremen

3. Preis

Preisgeld: 16.000 EUR

ROBERTNEUN™

Architektur

Erläuterungstext

GRUNDSTÜCK B2 IM „ST JÜRGEN QUARTIER“ IM „NEUEN HULSBERG VIERTEL“ IN BREMEN

Anlass
Das Klinikum Bremen-Mitte welches sich früher auf ca. 20 ha Krankenhausgelände organisierte, konzentriert sich in Zukunft in einem komprimierten ca. 5 ha Klinikneubau. Die freiwerdenden knapp 14 ha altes Klinikgelände werden ein neues gemischtes Stadt-Quartier in Bremen-Mitte. Es stellt sich somit die grundlegende Frage, wie es gelingt, den historischen Ort zu transformieren und dabei eine gebundene und unverwechselbare Architektur zu schaffen. Weder geht es dabei um eine Kopie noch um eine Musealisierung, sondern um ein kontextuelles Weiterbauen.
Konzept
Das Haus wird direkt zwischen den Gebäuden der unter Denkmalschutz stehenden Augenklinik und dem alten chirurgischen Krankenhaus an der St.-Jürgen-Straße positioniert und bildet somit das einzige sichtbare Bindeglied zwischen historischer und neuer Bebauung.
Die volumetrische Figur lehnt sich an die denkmalgeschützten Gebäude an und macht sich diese zunutze. Durch Rücksprünge und Einschnitte wird ein respektvoller Umgang mit den Nachbargebäuden geschaffen, welche es gleichzeitig möglich machen Bestandsbäume zu erhalten.
Städtebau
Der Baukörper klärt durch seine Rücksprünge und Einschnitte die Stadträume zu den benachbarten Gebäuden und bildet dadurch drei Schauseiten. Diese drei Gesichter stehen in Analogie zu den Gesichtern der Bestandsbauten. Die Hauptfassade zur St.-Jürgen-Straße bekommt eine besondere Ausbildung als durchgehende Loggia-Fassade. Die anderen beiden Schauseiten bekommen einen durchgehenden variabel bespielbaren Balkon.
Der Einschnitt im Norden nimmt die Flucht des hervorkragenden Risalits des Bestandsgebäude 7 auf und ergänzt den Fehlenden Flügel des Bestandsgebäudes. Im Osten nähert sich die Kante des Einschnitts an den benachbarten Wettbewerbsbau an. Im Süden wird durch den Einschnitt die Hauptfassade (das Gesicht oder der Kopfbau des Gebäudes) angelehnt an den Risaliten der denkmalgeschützten Bestandsgebäude.
Das Dach ist geneigt mit 35 Grad in Richtung aller öffentlichen Seiten und bekommt, ähnlich wie ein römisches Atriumhaus, ein umlaufendes Dach-Band innenliegend mit klimatisch wirksamen Wasserspeicher.
Baukörper/Gebäudestruktur
Der Baukörper wird gegliedert in Sockel und Wohnhaus und bewohnbarem Dachgeschoss, wobei alle drei Teile, Teil einer Skulpturalen Form werden und wird nicht als separater Aufbau gelesen werden.
Urbaner Sockel
Das Erdgeschoss bietet eine vielseitige Bespielbarkeit welche sowohl kleine Gewerbeeinheiten wie auch eine große zusammenhängende Büroeinheit zulässt.
Die öffentlichkeitswirksamen Gewerbeeinheiten wie Restaurant, Eisdiele, Radladen und oder Blumenladen bespielen die Stadträume zwischen den charakterstarken Bestandsbauten und den geplanten Nachbarbebauungen. Das stärkt öffentlich lebendigen Charakter des Neuen Hulsberg Viertels.
Wohnen
Jede Wohnung ist nach auĂźen orientiert und bietet einen Bezug zum umgebenden aktiven Bremer Stadtraum.
Ein Großteil der Wohnungen ist zusätzliche beidseitig auch zum Innenhof orientiert und bietet zugleich einen Lärm und windgeschützten grünen Rückzugsort.
In allen Wohnungen bildet ein flexibler Raum mit angeschlossener Nasszelle das Zentrum. Von diesem werden ein- oder zweiseitig die weiteren Schlaf-, Wohn- und Nebenräume erschlossen. Die Räume sind durch Doppelflügeltüren zusammenschaltbar. Durch die dadurch entstehende Enfilade-Struktur fließen alle Räume ineinander und bilden ein variables Raum-Ensemble.
Die Fenster der Wohnungen nach zum außenliegenden Stadtraum als Französische-Fenster mit Balkon ausgebildet und zum Innenhof als Raumhohe Fenster mit innenliegender Sitzbank.
Dadurch bekommen alle Wohnungen einen Freisitz als Loggia oder Balkon entlang der Fassade.
ErschlieĂźung
Das Wohnhaus wird an vier Adressen erschlossen. Diese sind gleich ausgebildet. Man betritt ein doppelgeschossiges kommunikatives Foyer mit Sitzbank, Briefkastenanlage, einer einläufigen Treppe und Zugang zu einem Aufzug. Diese Treppe führt zu den Erschließungsräumen im 1.OG mit Bezug zum grünen Innenhof. Von dort aus erreicht man alle Wohnungen und Geschosse.
Innenhof
Das Hofhaus als Typologie bietet durch seine Dualität von außen nach innen sehr unterschiedliche Atmosphären und Wohnsituationen. Dabei dient der Innenhof als klimatische wirksamer Wasserspeicher. Der grüne Hof als Gewächshaus erzählt eine andere privatere Geschichte als die repräsentativen Fassaden der äußeren Kubatur. Ein Urbanes Haus außen, ein Wohn-Dschungel im inneren.
Die Vegetation gliedert sich (Vegetationsgeschichte á la Humboldt) in vertikale Schichten, beginnend mit dem grünen Herz (Baum im Erdgeschoss). Danach folgt die üppige Begrünung auf den Vorsprüngen im 1.OG.
Die dritte Schicht bilden bepflanzte vertikale Lisenen, eine Skelettstruktur mit Kletterpflanzen.
Dieser Verlauf unterscheidet sich auch in der Farbigkeit der BegrĂĽnung. Ein sattes GrĂĽn im Erdgeschoss, ein MittelgrĂĽn im Garten des 1. Obergeschosses und HellgrĂĽne Kletterpflanzen entlang der Stahl Lisenen.
Die Materialität der Innenfassade besteht aus weiß/gräulich geschlämmten Ziegel mit vorgehängter Stahlkonstruktion für die Kletterpflanzen. Die stehenden Fenster ermöglichen den Wohnungen unmittelbaren Zugang zum Innenhof. Diese eher zurückhaltende Fassadenmaterialität legt das Hauptaugenmerkt auf die Vegetation. Das Regenwasser wird vom Dach über Wasserspeier in den Innenhof geleitet.
Freiraumkonzept
Die Großzügigen Freiflächen um das Wohnhaus stärken den umgebenden Stadtraum des Neuen Hulsberg Viertels. Hinter den Denkmalgeschützten Hecken an der St.-Jürgen-Straße befindet sich eine flexible Freifläche mit wassergebundenem Boden und üppiger Begrünung. Dieser Stadtgarten bietet Raum für jegliche Bespielungen wie ein Biergarten, Außenflächen des Erdgeschosses oder andere öffentlichkeitswirksame Nutzungen.
Mit Sitz-Nischen in der Fassade, Sitzbänke um den Baum und eine vielfältige Bespielung des Sockels bildet sich auf der Südseite ein neuer Kiezplatz um den zu erhaltenen Bestandsbaum. Quartiersinnen liegend entsteht durch den Kiezplatz ein intimer Treffpunkt mit Bremer Stadt-Charakter.
Konstruktion Ausdruck und Material
Ziel ist eine Architektur, die aus kulturellem Kontext heraus einen unverwechselbaren, ortsgebundenen und spezifischen Ausdruck vermittelt.
Bei der 1929 bezogenen medizinischen Klinik ist die Farbigkeit des Bockhorner Klinkermaterials fein ausdifferenziert: Sockelgeschoss mit Blauton, die drei Hauptgeschosse mit Rotton und das Attikageschoss schlieĂźlich mit Braunton.
Das Vorgefundene Material als Ausgangspunkt einer typologischen und architektonischen Transformation, nähern wir uns der Materialität der Bestandsgebäude an. Die Farbigkeit des Klinkers aus (Blauton, Rotton und Braunton) erzielt die Wirkung eines verwobenen Teppichs über die gesamte Fassade und endet in einem Hellbraunton der Stehpfalz auf dem Dach. Dieser Verlauf erzeugt eine große skulpturale Plastizität.
Untergeordnete Fassaden des Gebäudes werden mit einem eigenen Charakter ausgebildet. Das Raster der Fensteröffnungen wird durch eine Textur, Spolien oder Blindfelder im Klinker weitergeführt oder es werden im Erdgeschoss eingelassene Sitzbänke ausgebildet.
Die Identifikation mit dem Gebäude innerhalb des Neuen Hulsberg Vierteils, entsteht durch den Wiedererkennungswert und dem Verweben des vorhandenen Farbspektren in der Fassade. Das Gebäude fügt sich respektvoll in die Umgebung des alten Krankenhaus-Areals ein und bildet gleichzeitig einen neuen Charakter aus.
TEAM ROBERTNEUN™
Tom Friedrich, Nils Buschmann, Jaro Böer, Tom Zumdick, Lilly Irmer, Anna Zita Leutgeb


Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf vermittelt durch die präzise Bearbeitung des Bauvolumens erfolgreich zwischen dem Hulsberg-Quartier und dem Ensemble an der St. Jürgen-Straße. Die Proportionen der historischen Krankenhausbauten werden sensibel aufgenommen. Aus denkmalpflegerischer Sicht wirkt die Westfassade, die durch die seitlichen Rücksprünge schmaler wird, ausgewogen und dem historischen Umfeld angemessen. Allerdings muss mit Blick auf das konzipierte Volumen des Projekts und der Dachformen auf einige gravierende Abweichungen zum planungsrechtlichen Rahmen hingewiesen werden.

Die klare Adressierung an der St Jürgen-Straße wird in der Behandlung des Erdgeschosses aufgenommen, indem hier ein großzügiger gewerblich nutzbarer Raum dem öffentlichen Platz
begegnet und adäquat beantwortet. Die Platzierung der Einfahrt zur Parkgarage in einem der Rückspringe unterstützt den Gesamteindruck des Hauses. Auch die Dimensionierung und
Positionierung der Treppenhäuser ist überzeugend und verleiht dem Aufgang zu den Wohnungen Distinktion.

Das Konzept für die Wohnungen bietet viele Möglichkeiten für eine differenzierte Nutzung und beantwortet damit die Frage nach innovativen und flexiblen Lösungen, wie sie ansonsten nur in
historischen Wohnungen (Altbau) angeboten werden. Im Detail würde es einer durchgehenden Verfeinerung bedürfen, insbesondere, was das nicht durchgängige Freisitzangebot für alle Wohnungen anbetrifft, sowie die Anordnung der wohnungsinternen Bereiche (Küchen und Wohnräume) angeht.

Inwieweit dieses Konzept die Gegebenheiten des Wohnungsmarkts aufnimmt, wird von der Jury teilweise unterschiedlich bewertet.
In der präzisen Beantwortung der verschiedenen Situationen der umgebenden öffentlichen Räume, vom kleinen Quartiersplatz über die Privatstraßen bis zur St. Jürgen-Straße gelingt es dem Entwurf, die verschiedenen Milieus zu verbinden und gleichzeitig auf subtile Weise zu differenzieren. Es ist wegen dieser Ausgewogenheit in der Grundrissentwicklung, der Fassadengestaltung und der zusammenhängenden, aber leicht changierenden architektonischen Sprache, dass der Entwurf sich in besonderer Weise in das städtische Gewebe einfügt und doch seine Eigenständigkeit und Fähigkeit zur Adressenbildung behält.
Grundriss EG

Grundriss EG

Grundriss OG1

Grundriss OG1

Grundriss RG

Grundriss RG