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Mehrfachbeauftragung | 06/2022

Ideenstudie Areal Wankdorffeldstrasse in Bern (CH)

1. Rang / Zur Überarbeitung aufgefordert

GWJ Architektur AG

Stadtplanung / Städtebau

ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS GmbH

Stadtplanung / Städtebau

ORT AG für Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

TREIBHAUS Landschaftsarchitektur Berlin/Hamburg

Landschaftsarchitektur

Emch+Berger Verkehrsplanung AG

Verkehrsplanung

Architekt Martin Beutler

Stadtforschung

Erläuterungstext

Ein Areal im Transformationsprozess: Die Baurechtsnehmerinnen verfolgen gemeinsam mit der Stadt Bern die Absicht, das Areal Quartierstadt Wankdorf neu zu entwickeln. Das knapp 50’000 m² grosse Areal liegt im Nordquartier der Stadt Bern, zwischen den Geleisen der SBB und der Wankdorffeldstrasse. Das Areal ist heute stark geprägt von gewerblichen Nutzungen. In Zukunft soll ein neues Gebiet mit Wohnen, Dienstleistung, Arbeiten sowie öffentlichen Nutzungen und erforderlichen Infrastrukturen im Sinne eines gemischt genutzten Quartiers entstehen.
Wir konnten den ersten Rang bei der städtebaulichen Ideenstudie erreichen! Zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft jungheim Architekten und Samuel Métraux Architektur geht es in die Weiterbearbeitung. Ziel ist die Erstellung eines Richtkonzepts, welches die Basis für den kommenden Masterplan wird.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das städtebauliche Konzept baut konsequent auf die Vision auf, in Quartieren zu planen und Nachbarschaften zu bilden, diese zu verbinden, in Schichten zu denken, Sichtbezüge herzustellen, Bestand zu erhalten und parzellenscharf neue Lebensräume zu entwickeln. Die Herausforderung, die Wankdorffeldstrasse sowohl nach innen als auch in Bezug auf die bestehenden Quartiere zu vernetzen, verlangt einen variantenreichen und differenzierten Städtebau – so könnte die These des Entwurfs lauten.

Der Entwurf unterscheidet drei Bereiche, die in eigenständiger Ausstrahlung und mit unterschiedlichen Schwerpunkten typologisch, freiräumlich und sozialräumlich logisch durchdekliniert werden: die Bereiche «Am Bahnhof», «Am Hofgarten» und «In der Quartiermitte». Je ein Platz bildet den Kern des jeweiligen Bereichs. Diese Plätze verbinden die verschiedenen Bereiche an den richtigen Stellen mit angemessenen Antworten untereinander und mit dem bestehenden Umfeld. Die Plätze sind auch die wichtigsten Ansatzpunkte für die Querdurchwegung des Perimeters. Die optionale Brücke über die Gleise wäre in diesem System eine wertvolle weitere Aufwertung.

Eine über das gesamte Areal ausgearbeitete Schichtung bzw. Höhenstaffelung erlaubt es, die volumetrische Dichte gut in ihren kleinmassstäblicheren gewachsenen städtischen Kontext zu integrieren. Die Höhenstaffelung adressiert sowohl den menschlichen Massstab als auch die umliegend vorhanden Stadt- bzw. Bebauungsniveaus.

Es wird ein sukzessiver Transformationsprozess vorgeschlagen, der parzellenscharf organisiert ist und mit schrittweisen Zwischennutzungen und kurzfristigen Aktivierungen im Bestand startet, die sukzessive durch Neubauten ersetzt werden.

Das Konzept ist durch alle Massstäbe durchdekliniert, definiert Prinzipien und Regeln auf städtebaulicher wie auch Typologischer Ebene bis in eine fein austarierte EG-Typologie und lässt gleichzeitig Freiheiten für zukünftige Vertiefungsverfahren.

Die Baulichen Setzungen im Bahnhofsquartier weisen zum Bahnhof eine Porosität und Bewegungsstromverteilung auf, die eine Feinverteilung ins Quartier sowie in Nord-Süd Richtung erlauben und dennoch geschützte Innenbereiche definieren. Zum Gleisraum entstehen Pocket-Parks, die auch diesen Raum integrieren.

Die Erdgeschoss Nutzungen sind sorgfältig austariert und kulminieren in der zentralen Umnutzung des Duttweiler-Baus als Schulgebäude. Diese Nutzung wird allgemein u.a. auch seitens der Denkmalpflege sehr begrüsst. Hier ist allerdings wesentlich, dass eine Mehrfachnutzung der Schulräume wie ihrer Aussenflächen zum Nutzen des Quartiers ermöglicht wird. Dies ist seitens der Verfasser bereits angedacht.

Die Verkleinerung des Platzraumes vor dem Duttweiler-Gebäude mittels eines vorgelagerten Sockelbaus wird sehr positiv bewertet. Der Freiraum erhält hierdurch eine angemessene Dimension; der Duttweiler-Bau wird mit seinem Turm in Szene gesetzt. Die Verschränkung der Platzräume vor wie auch seitlich des Duttweiler-Baus erlaubt differenzierte Aussenräume und verbindet elegant zur Brücke über die Geleise. So entstehen adäquat proportionierte Ankunftsräume, die unterschiedliche Sport- und Spielflächen für das Quartier, wie auch die Schulfunktion anbieten und mit dem Schulhof verschränkt werden.

Im Bereich der Hofgärten wird die Differenzierung der Höhenstaffelung fortgeführt. Die in Ost-West Richtung orientierten Hofgärten werden in ihrer Ausdehnung jedoch als zu linear wahrgenommen. Die innere Durchwegung erscheint dementsprechend als redundant zu den Freiräumen entlang der Wankdorffeldstrasse bzw. des Gleisraumes. Hier wird in der Überarbeitung eine stärkere Porosität und Nord-Süd-Beziehung erwartet, ähnlich wie sie im Bahnhofsquartier vorgeschlagen wird. Ziel wäre es, die Freiraum- und die Wohnqualität (Ausblick, Orientierung, Belichtung) zu verbessern.

Das städtebauliche, volumetrische und programmatische Konzept überzeugt in seiner Konsequenz der Durcharbeitung durch alle Massstäbe. Die im Bereich Hofgarten zu tätigenden Anpassungen sind in der weiteren Planungsphase zu erarbeiten.

Die Stärke des städtebaulichen Entwurfs liegt in der interdisziplinären Herangehensweise: Baukörper, Freiräume und Erschliessung werden zu einem vielfältigen, beziehungsreichen Geflecht verstrickt, das unterschiedlichen Bedürfnissen und Lebensformen, funktionalen, sozialen, stadtklimatischen und -ökologischen Ansprüchen gerecht werden kann. Die Überlagerung dieser Ansprüche ist eine Herausforderung, die der Entwurf auf dieser Stufe jedoch noch nicht überall konkret löst. Die Grundanlage hat aber Potenzial: Wenige, klare Freiraumtypologien erlauben eine unmittelbare, individuell auf Gebäudenutzungen, angrenzende Stadträume und auf die zugehörigen Nutzergruppen abgestimmte Ausgestaltung.

In Längsrichtung differenziert sich der Perimeter in drei komplementäre Bereiche: Der baumbestandenen, begrünten, öffentlichen Hauptachse «Wankdorfboulevard» steht auf der Gleisseite der Bahnweg gegenüber, ein informellerer Durchgang für den Fuss- und Veloverkehr mit stadtökologischem Potenzial und Aneignungsmöglichkeiten. Das karge Bild der Gleise und das offene Freiraumkonzept in diesem Bereich ist ein bereicherndes Pendant zum befahrenen, grünen Boulevard. Zwischen diesem Gegensatzpaar liegt die innere Gasse: eine abwechslungsreiche Sequenz von Freiräumen, die als Ausweitungen aus dem Wegesystem herauszuwachsen scheinen. Immer offen zugänglich, doch situativ als eher introvertierter Hof, extrovertierter Platz, als gemeinschaftliche Terrasse, spezifische Spielfläche oder nutzungsoffene Grünfläche gestaltet, haben diese Räume ein breites Spektrum an Nutzungsmöglichkeiten. Dank ihrer grundlegenden räumlichen Qualitäten bieten sie Spielraum für Aneignung, sind transformierbar und so auch langfristigen, grundlegenden Wandlungsprozessen im Quartier- und Stadtleben gewachsen. Die Krux in der Ausarbeitung wird hier in einer funktionierenden Zonierung und einer guten Abstufung der Öffentlichkeitsgrade liegen.

Auf den Dächern sind Gärten für die jeweiligen Hausgemeinschaften vorgesehen, die das öffentliche Freiraumangebot auf Stadtebene um gemeinschaftliche Rückzugsräume ergänzen. Zusammen mit den unversiegelten Bereichen auf Bodenebene und den Fassadenbegrünungen tragen sie zu einem guten Mikroklima und zur Retention bei. Erwähnenswert ist aus freiräumlicher Sicht auch die Höhenstaffelung der Gebäude. Als differenzierte vertikale Fassung trägt sie zur Atmosphäre und Individualität der einzelnen Freiräume bei. Zudem verbessert sie in den engen, eher schattigen Höfen die Belichtung.

Um nachbarschaftliche Potenziale im Umsetzungsprozess zu eröffnen, werden Prinzipien wie der öffentliche Sockel, die Sequenzierung der Gebäude oder die Stadtebenen definiert. Damit wird deutlich, dass der Städtebau die Reaktion auf das Bestandsquartier aktiv sucht, diese also noch nicht als gegeben ansieht; damit versteht sich der Entwurf auch als Fürsprecher einer umsichtigen Etappierung.

Nachbarschaften will das Projekt nicht nur «auf dem Boden» fördern, sondern über die Sockel auch in den Gebäuden. Wie letzteres möglich wird, kann das Projekt noch nicht beantworten, denn dazu bräuchte es einen neuen Hochhaustyp (mit «vertikalen» Nachbarschaften). Aber der Entwurf weist auch auf Konflikte bei der weiteren Detailplanung hin: «Am Hofgarten » konkurrieren Durchwegung und Offenheit für alle mit nachbarschaftlichen Beziehungen der Hausgemeinschaften und am Max-Daetwyler-Platz würden zu viele Sockelbauten die Begegnungsorte «am Boden» durch den grossen Fussabdruck der Gebäude reduzieren. In dem Sinne fehlt bei den vorgeschlagenen Nutzungen am «Dutty-Platz» sicherlich auch ein Raum für ein Quartierbüro, von wo aus die sozialräumlichen Entwicklungen aktiv unterstützt und die dank dem Entwurf aufgezeigten Widersprüche zwischen sozialräumlichen und städtebaulichen Zielen über den Alltag der Menschen bearbeitet werden können.

Der Ansatz geht hinsichtlich Mobilität von einer Entflechtung der einzelnen Verkehrsmittel aus. Die Wankdorffeldstrasse bleibt die zentrale Achse und bietet neu allen Verkehrsmitteln adäquate Flächen an. Die Transformation der Strasse wird basierend auf der Umnutzung aufgezeigt und stellt dadurch sicher, dass die bestehenden Bedürfnisse aus den aktuellen Nutzungen weiterhin möglich sind. Dadurch ist aber der Endzustand der Strasse auch erst mit dem «Abschluss» der Transformation vervollständigt. Der motorisierte Individualverkehr wird nur für besondere Bedürfnisse (z.B. Umzug) ins Areal geführt und somit ist das Areal weitestgehend dem Fuss- und Veloverkehr vorbehalten. Das entsprechend feinmaschige Netz ermöglicht kurze und direkte Wege und bindet die Eingänge und die unterschiedlichen Veloabstellplätze gut an. Die Zugänglichkeit zur Velostation bei der S-Bahnstation ist etwas versteckt und liegt nicht ideal orientiert.

Aus Sicht Stadtklima handelt es sich um einen guten und durchdachten Entwurf, der die hohe Bebauungsdichte mit einem differenzierten und für Klimafunktionen gut ausgestatteten Freiraumsystem zusammenbringt und insgesamt eine hohe Identität fürs Quartier erzeugt. Besonders hervorzuheben ist die Einführung von differenzierten «Stadtebenen» in den höheren Geschossen, die eine erweiterte Freiraumnutzung mit Klimafunktionen stringent verbindet. Insbesondere im Westen erscheinen die langgestreckten Baukörper für eine gute Durchlüftung – aber auch aus stadträumlicher Perspektive – noch nicht ideal.
Wankdorffeldstrasse heute

Wankdorffeldstrasse heute

Spurensuche auf dem Areal

Spurensuche auf dem Areal

Spurensuche auf dem Areal

Spurensuche auf dem Areal

Spurensuche auf dem Areal

Spurensuche auf dem Areal

Spurensuche auf dem Areal

Spurensuche auf dem Areal

Wankdorffeldstrasse Situation heute

Wankdorffeldstrasse Situation heute