modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Mehrfachbeauftragung | 09/2020

Gestaltung Begräbniskirche St. Michael in Frankfurt am Main

Präsentationsplakat 1

Präsentationsplakat 1

Teilnahme

Sichau + Walter Architekten BDA

Architektur

Erläuterungstext

Ein Ort der Communio von Lebenden und Toten.
In einen Raum, der für die Lebenden erdacht war, die erst in ihrem Wechselspiel als Gemeinde mit der Hülle den Raum entstehen lassen und (nach Schwarz) „in der gemeinsamen Feier im Urbild als dem Geistigen, die Form zum Leben erwecken, ihr eine Seele verleihen“ - in diesem autonomen Raum schafft nur die klare Setzung eine Symbolhaftigkeit, die das Vorhandene mit dem Neuen vereint. Die Metapher der Schlucht mit dem Weg zum Licht bleibt dabei nachvollziehbares narratives Element. Der Raum als Ganzes bleibt heiliger Raum der Kirche.
In diesen implementiert und profaniert, dienen acht Urnenkammern der zukünftigen Bestimmung und verweisen nach Mt 28,1 auf die Auferstehung Jesu am achten Tag. Im Boden verankert recken sie sich nach oben zum Licht, zum Himmel und schaffen so die Lesbarkeit und Bedeutung ihres Auftretens, ohne der räumlichen Idee von Rudolf Schwarz in der Betonung der Mittelachse, von der Taufe zum Tisch des Brotes, des Leibes Christi, Konkurrenz zu machen. Eigenständig in Sprache und Materialität geben Sie dem Tod bei den Lebenden einen Platz.
Außen in dunklem Holz, innen ganz in Gold zeigen sie mit der Symbolhaftigkeit des gefilterten goldenen Lichtes, in intimen, kontemplativen Raumsituationen der Urnenkammern, sowohl die Verbindung zur Kirche der Lebenden, als auch das Wertvolle beider Erscheinungen.
Abgesetzt dazu, als besondere Orte für Besucher und Trauernde sind Opferkerzenbank mit Pieta, Erinnerungs- und Fürbittenbuch nahe dem Eingang platziert. Die Urnengräber für Kinder und Namenlose befinden sich dagegen in einem mehr „geschützten“ Bereich zur nördlichen Apsis orientiert.
Damit die Communio der Lebenden und Toten tatsächlich als Einheit erfahrbar wird, braucht es eine Verbindung, die von allen Menschen verstanden werden kann, die sich noch im Jetzt befinden. Mittlerin des Miteinander sollen daher zeitgenössische künstlerische Interventionen im Kirchenraum werden, die dem Statischen der Gräber das Lebende des Jetzt ergänzen und für Besucher und Gläubige, auch außerhalb der Gottesdienste, vermitteln sollen, dass der Tod nicht das Ende ist, sondern Teil des Lebens. Gerade an diesem Ort kann sich, in der Kombination dieser beiden Seiten der gleichen Medaille, eine ungeheure Strahlkraft nach außen, aber auch Trost und Hilfe für die Hinterbliebenen entwickeln. So ist gerade die Mittelachse der Kirche bewusst auf maximaler Breite für unterschiedlichste Möglichkeiten freigehalten: Große Trauerfeiern, Auferstehungs- und Ostergottesdienste lassen sich in allen Formen heutiger Liturgie ebenso zelebrieren, wie Veranstaltungen mit Musik, Vorträge, Tanz, Ausstellungen und Versammlungen für bis zu 250 Personen. Eine große Chance für St. Michael. Aufgrund dessen die klare Zuordnung der Raumbereiche zu den Bestimmungen. Daher keine Überlagerung, flächige Ausdehnung oder Vermischung.
Symbolhaft werden die überkommenen Ausstattungselemente beibehalten und neu geordnet. Memorialstücke der vergangenen Raumkonzeption, die den Weg der liturgischen Pole markieren und auf die zentrale Idee des Baus hinweisen werden mit neuen Elementen ergänzt, die die Feier in unterschiedlichen Rahmen und Formen ermöglichen. Daher keine starre Bankausrichtung, sondern die Communio aller Feiernden ohne Unterscheidung. So kann die Altarinsel mit ihrer höfischen Geste der Erhöhung nicht mehr einem zeitgemäßen Liturgieverständnis entsprechen. Hier, wo im Jetzt Liturgie die Gläubigen erreichen muss, wo die Feier der ganzen Gemeinde als aktiven Teil der Messe möglich sein muss, hat das Sakrale Vorrang vor weltlichem Bewahrungsanspruch. Dennoch bleibt der Fußabdruck des Alten sichtbar. Ebenerdig zum Schiff aus geschliffenem Estrich, unprätentiös und bescheiden.
Altar, Ambo, Vortragekreuz und Evangeliar werden daher nach künstlerischem Entwurf neu geschaffen. Ebenso die Bestuhlung und Sedilien. Schlicht und mobil können sie an jeder Stelle und zu jedem Anlass neu im gesamten Kirchenraum verwendet werden. Der Tabernakel erhält einen neuen Platz in der westlichen Apsis, die zusammen mit dem Beichtstuhl zum Anbetungs- und Andachtsort wird. Eine Möglichkeit zum stillen Gebet für Besucher und Trauernde.
Komplementär hierzu ist die östliche Apsis vor allem der Musik vorbehalten. Räumlich markiert durch Sitzbänke finden hier Chor, Musiker und Organist ihren Platz. Nebenräume für Personal, Zelebranten befinden sich nebst behindertengerechtem WC im östlichen Annex, durch den man auch das Trauerzentrum erreicht. Die Verbindung hierzu erfolgt über eine neue offene, überdeckte Halle, die mit einer großzügigen Treppenanlage und Hublift als einladende Geste den neuen Zugang markiert.
Unberührt bleibt die Krypta, sowohl in ihrer originalen Ausstattung als auch Funktion. Hier im „Verborgenen“ befindet sich der Ort für kleine Feiern und das Aeternum, dass mit einer Gedenktafel die Stelle der Ewigen Ruhe markiert. Ein Memorialort der von der Geschichte der Kirche und den Menschen der Gräber erzählt. Einzig die Raumfassung wird dunkler gestaltet, damit die Farbfenster Meistermanns besser zur Geltung kommen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf spielt mit der Spannung zwischen dem lichten Kirchenraum aus den 50er Jahren und den introvertierten Grabkammern. Durch den Einbau der Grabkammern wird das Schluchtmotiv von R. Schwarz verstärkt, aber die Wahrnehmung des bestehenden Raumgefüges stark eingeschränkt. Die Gegenbewegung der geraden Grabkammern zur runden Außenwand ist formal nicht gelungen und geometrisch nicht gelöst. Der verbleibende Raum zwischen den Grabkammern ist eindrucksvoll, aber nur bedingt nutzbar. Auch der hohe Luftraum in den Grabkammern bleibt ungenutzt. Die dunkle Holzbekleidung der Grabkammern lässt ein drückendes und düsteres Raumgefühl entstehen, die Kombination aus Rot und Gold hat eine Anmutung vordergründiger Wertigkeit.
Durch die Grabkammern entsteht eine nicht gewünschte Trennung von Lebenden und Toten und auch die herausgestellte Positionierung der Kindergräber ist nicht nachvollziehbar. Der Entwurf kann weder durch die Umsetzung der Anforderungen an die Begräbniskirche noch durch den Umgang mit dem Denkmal überzeugen.
Präsentationsplakat 2

Präsentationsplakat 2