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Offener Wettbewerb | 05/2023

Neubau des Bildungscampus Nordwestbahnhof in Wien (AT)

Anerkennung

Preisgeld: 17.000 EUR

Schluder Architekten ZT GmbH

Architektur

iC consulenten ZT GesmbH

Tragwerksplanung

Priesner & Partner GmbH

Brandschutzplanung

Erläuterungstext

Fließende Lernwelten
Ein prototypischer Bildungscampus, welcher mit seinen Nutzer:innen
und der Stadt mitwachsen kann - der "Campus Rubrum“

Städtebauliche Einbindung
Der Neubau des Bildungscampus Nordwestbahnhof schreibt sowohl formal als auch funktional die Prinzipien des übergeordneten städtebaulichen Konzeptes für das Stadtentwicklungsgebiet fort.

  • Schließen des „Blockrandes“ entlang der Rebhanngasse
  • Auflösen des „Blockrandes“ zur grünen Mitte
  • Funktionale Integration der „Aktivzone“ in den Freiraum

Übergeordnet orientiert sich die Verteilung des Gesamtvolumens am im Süden gelegenen offenen Blockrand und bildet mit diesem eine volumetrische Einheit. Entlang der Rebhanngasse und der „Stichstraße Süd“ werden die städtischen Kanten geschlossen. Gegen Nordwesten schafft ein abgetrepptes Sockelgeschoss eine Verzahnung zwischen Bildungseinrichtung und Freiraum.
Durch die Kammstruktur eröffnet sich eine großzügige, zusammenhängende Freifläche in Verlängerung der Aktivzone aus dem städtebaulichen Leitbild. Hierarchische Abfolgen von „öffentlich“ zu „privat“ nutzbaren Freiflächen gliedern den Freiraum räumlich und funktional.
Die Kubatur des Hauptgebäudes nutzt die gesamte Gebäudehöhe aus und wird L-förmig auf fünf Geschossen (EG+4) entlang der Rebhanngasse und der Stichstraße Süd angeordnet. Dadurch wird zum einen die städtische Kante entlang der Rebhanngasse geschlossen, zum anderen erhält die Bebauung an der „Stichstraße Süd“ ein selbstbewusstes Gegenüber. In der Fortführung der Stichstraße entwickelt sich das Volumen zu einem eingeschossigen Baukörper. Damit erhält der im direkten Anschluss gelegene Quartiersplatz eine räumliche Fassung.

Äußere Erschließung
Bildungscampus, Kleinkinderkrippe und Musikschule werden vom Norden her über den großzügigen und teilweise überdachten Vorplatz erschlossen. Die Lage des Vorplatzes wurde so gewählt, dass möglichst gleichwertige Wegeführungen vom neuen Stadtteil sowie von der Innstraße (Straßenbahn) gegeben sind. Die großzügige Dimensionierung gewährleistet auch bei einer etwaigen Erweiterung der Bildungseinrichtung ein sicheres Ankommen.
Entlang der Stichstraße Süd werden weitere Zugänge für die sonderpädagogischen Bildungsbereiche im direkten Nahbereich der Vorfahrt für Behindertentransporter als auch der Zugang für externe Nutzer:innen des Sportbereichs angeordnet. Ein Treppenhaus zur Erschließung des im 1. Obergeschoss befindlichen Biber 10 dient der Entflechtung der Verkehrswege von Nutzer:innengruppen. Grundsätzlich verfügen alle Funktionsbereiche über eigene Zugänge und können damit als autarke, vom Campusbetrieb unabhängige Funktionseinheiten gesehen werden.

Architektur und Funktion
Äußere Gestaltung
Das äußere Erscheinungsbild wird durch eine umlaufende, 2-7m tiefe und vertikal vernetzte Ereigniszone geprägt. Sowohl Schüler:innen als auch Pädagog:innen bietet diese ein vielfältiges Angebot an Freiflächen und die Möglichkeit der individuellen Aneignung.
Architektonische Elemente der Gestaltung sind offene, umlaufende Balkone, Treppen, Stützen, Raster, Lufträume, Pflanztröge und Fassadenbegrünung. Die durchlässige und vielfältig bespielbare Hülle ruht auf einem robusten Sockel. Es entsteht eine starke Identifikation mit dem Gebäude und reziprok ein stark identitätsstiftender Bildungscampus.

Maßstäblichkeit
Ein Bildungsbau für Schüler:innen bis 16 Jahre sollte als Gebäudetypologie eher flach und niedrig sein. So wie ein Bildungsbereich von seiner Größe und Anzahl der Bildungsräume her eine Analogie zum kleinstmöglichen Schulbau aufweist, schafft der Bildungscampus Nordwestbahnhof aufgrund seiner klaren Struktur und architektonischen Gestaltung eine Analogie zu dieser kleinsten Einheit.
Jeder Bildungsbereich verfügt über großzügige, direkt zugeordnete Freiflächen - den Schulhof, von diesem ausgehend, wird das Gebäude über Lufträume als maximal zweigeschossiger Baukörper wahrgenommen. Vom Freiraum des Biber 1 und des Biber 9 ist der Campus als lediglich eingeschossiges Gebäude wahrnehmbar.

Wegeführung im Inneren
Ziel des vorgeschlagenen Konzeptes ist es, innere Wegeführungen für die jeweiligen Nutzer:innengruppen und den Betrieb der Bildungseinrichtung zu optimieren.
Direkt an die Aula schließt der Veranstaltungssaal, welcher als Bindeglied zwischen Bildungscampus und Musikschule fungiert, sowie die zweiläufige Treppenanlage zur vertikalen Erschließung an.
Transparent gestaltete Trennwände zwischen Aula und Turnhallen geben weitläufige Sichtbezüge bis in den Außenraum frei. Über einen innenliegenden „Boulevard“, welcher gleichzeitig den Höhenunterschied des fallenden Geländes elegant überwindet, gelangt man zu den Bildungsbereichen 1 und 9 sowie zum Therapiebereich.
Über mehrere Treppenanlagen gelangt man in die Obergeschosse, in welchen jeweils zwei Bildungsbereiche in den beiden Gebäudetrakten organisiert sind. Dazwischen liegen Teile des Kreativbereichs und die Kollegiale Führung. Im Eingangsbereich zu den Bildungsbereichen 2, 3 und 4 werden die Garderoben und der zur Essenseinnahme ausgewiesene Bereich der multifunktionalen Fläche situiert.
Die dahinterliegende Strukturierung der Bildungsbereiche folgt der Logik einer rhythmischen Abfolge räumlicher Erweiterung. Raumverbände gleichartiger Nutzung werden zu Raumgruppen organisiert. Dazwischen eröffnen sich qualitativ hochwertige, gut belichtete multifunktionale Flächen mit differenzierten Qualitäten. Transparente Öffnungen in verschiedene Himmelsrichtungen, bewusst geschaffene Sichtbezüge zu Bildungsräumen und anderen Raumzonen schaffen spannende Abfolgen von Platzsituationen. Kinder sind nicht nur Teil ihres Bildungsraumes, sondern immer auch Teil des Ganzen.
Variabilität der Gesamtstruktur
Das Potential zur Erweiterung des Bildungsbaus wird in der Erweiterung des "Südflügels" parallel zur Stichstraße Süd gesehen. Dabei wird der eingeschossige Bauteil des Biber 9 um maximal vier Geschosse aufgestockt.
Das "Regal" aus Stahlbetonfertigteilen wird hierfür westseitig demontiert, um es in weiterer Folge für die Erweiterung wiederzuverwenden. Das Tragwerkskonzept des Zubaus entspricht dem des Bestandsbaus, wobei im Erdgeschoss bereits die notwendigen Maßnahmen getroffen wurden. Stahlbeton-Skelettkonstruktion, Außen- und Innenwände aus vorgefertigten Holzrahmenwänden sind angedacht.
Biber 10 im ersten Obergeschoss wird in den Zubau verlegt. Die frei gewordenen Flächen werden für den erhöhten Flächenbedarf an Kreativräumen genutzt.
In den Geschossen zwei bis vier werden die jeweiligen Bildungsbereiche um weitere 4 Bildungsräume sowie anteilige Garderoben und Multifunktionsflächen erweitert. Der Teamraum wird vergrößert, um der gestiegenen Anzahl von Pädagog:innen gerecht zu werden. Die bereits vorhandene Treppenanlage inkl. Aufzug wird auf die neuen Geschosse verlängert. Mit dieser Maßnahme kann die Erweiterung auch als eigenständiger, autarker Bildungsbereich gesehen werden, die beiden Bildungsbereiche teilen sich den zentral gelegenen Teamraum.
Freiraum
Die Lage und der Zuschnitt des Baufeldes des Bildungscampus bieten die Gelegenheit, den Campus in den Freiraumverbund des Stadtteils zu integrieren und damit einen funktionalen Mehrwert zu schaffen. Teile des Freiraums und der Vorplatz werden als mehrfach nutzbare Flächen für die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
Entsprechend dem städtebaulichen Konzept ensteht ein Stadtquartier mit eigener Identität, welches sich von der Umgebung unterscheidet, ohne Grenzen zu schaffen. Der traditionelle Straßenraum - die „rue corridor“ - wird aufgelassen und zu einer fließenden Stadtlandschaft transformiert.
Pflanzauswahl sowie weitere Maßnahmen erfolgen entsprechend der erforderlichen Anforderungen, um die lokale Biodiversität spürbar zu maximieren und langfristig eine Biotopvernetzung zu erreichen.
Bewusst großflächige Begrünungen zur ebenen Erde, an Dach und Fassade, leisten über Beschattung und Evapotranspiration einen wesentlichen Beitrag zur urbanen Kühlung im Kontext des Klimawandels und mehren ganzjährig erforderliche Habitate.

Erdgeschoss
Die Freiflächen des Campus orientieren sich an der Raumnutzung im Gebäude. Im Erdgeschoss liegen – gebäudebezogen in den „Freiraumnischen“ – die exklusiv nutzbare Kleinkinderspielzone, sowie ein Spielbereich mit Motorikparkour und Therapiegarten.
Ruhige Lernbereiche und die Gelegenheit für gemeinsame Spiel- und Bewegungsabläufe sind hier möglich. Die Mehrfachnutzungszone ist als Sportfläche gestaltet und wird außerhalb der Betriebszeiten als öffentlich zugängliche Spielfläche genutzt: Untergebracht sind:

  • Hartplatz 22x44m
  • Skate-Anlage
  • Sportfläche mit Tischtennis
  • Garten-WC

Die Positionierung der Mehrfachnutzungszone in der Verlängerung des Aktivfeldes an der Esplanade und im Nahbereich des Quartiersplatzes sorgt für eine zusätzliche Belebung.

Dachgarten
Als wertvolle Ergänzung zum ebenerdigen Freiraum wird das Dach des Sockelgeschosses als großzügiger, zusammenhängender Freibereich mit unterschiedlichen Qualitäten vorgeschlagen.
Intensiv begrünte Wiesenflächen mit Geländemodellierungen erlauben Strauch- und kleine Baumpflanzungen. Diese verbessern das Mikroklima und bieten allen Schüler:innen und Pädagog:innen einen Ort zum Erholen, Bewegen und Zurückziehen.

Fassadenbegrünung
Es kommen zwei Arten von Fassadenbegrünungen zum Einsatz. Erdgebundene, flächige Begrünung als Ergänzung zu Baumpflanzungen schaffen einerseits eine naturnahe Gestaltung des städtischen Raumes auf Fußgängerniveau, und unterstützen andererseits durch Vaporisation das Mikroklima.
Trog gebundene, geführte Bepflanzung (Kletter- und Rankpflanzen) an Balkonen und Gebäudezäsuren werden zur Vermeidung der sommerlichen Überwärmung eingesetzt. Flächige Bepflanzungen schaffen nicht nur kühlen Schatten an warmen, sonnigen Tagen, sondern schaffen auch einen besonderen Bezug zu natürlichem Grün von jedem Bildungsbereich aus.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebauliche Einbindung in die örtlichen Gegebenheiten sowie äußeres Erscheinungsbild und innere räumliche Qualität
Die L-förmige Großform wird mit einer großzügigen Eingangshalle erschlossen. Die prominente Position des Technikbereichs neben der Eingangshalle ist nicht nachvollziehbar. In den Obergeschoßen sind bedingt durch die gewählte Form lange Erschließungswege entstanden. Obwohl die begrünte Fassade einen interessanten und maßstäblichen Charakter hat, wird das „Regalsystem“ als Kombination von Fluchttreppen und Fassadenbegrünung kritisch betrachtet. Der Freiraum wird in seiner städtebaulichen Situierung und Ausgestaltung grundsätzlich positiv bewertet. Gerade die Positionierung des Hartplatzes mit Verbindung zum angrenzenden Park überzeugt. Kritisch diskutiert wird hingegen die Mehrfachnutzung des Vorplatzes sowie der tief im Bauplatz liegende Haupteingang.

Umsetzung des räumlich-pädagogischen Konzepts im Innen- und Außenraum, Umsetzung der funktionellen, logistischen und verkehrstechnischen Vorgaben
Die Lage der Funktionsbereiche im Gebäude ist weitestgehend schlüssig. Durch die Situierung des Gebäudes an der Rebhanngasse und den weit hineingezogenen Vorplatz entstehen weite Wege für die Kinder insbesondere zu den Freiflächen. Die Bildungsbereiche erfüllen die funktionalen Anforderungen, die Situierung von Nebenräumen im Zentrum des Bibers wird seitens Jury problematisch gesehen. Insbesondere der Biber 1 kann durch die schmalen Multifunktionalen Flächen sowie den zentralen Essbereich nicht optimal genutzt werden. Die Schmutz- und Reinbereiche des Werkbereichs sind nicht direkt miteinander verbunden.

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit in Bau und Betrieb
Das Projekt ist hinsichtlich der Nachhaltigkeit und des Energiekonzeptes zu hinterfragen. Das gewählte System wird hinsichtlich Primärenergiebedarf und der vorgeschlagenen Redundanz mittels Fernwärme kritisch gesehen. Dies umso mehr, als im Quartier Fernwärme nicht zur Verfügung stehen wird. Das hohe Ranking kreislaufwirtschaftlicher Gesamtbewertung wird durch die geringe Plausibilität der energetischen Kennwerte relativiert. Eine höhere Gewichtung der Weiterbaubarkeit wäre möglich gewesen, dennoch verdient das Projekt aus Sicht der Kreislaufwirtschaft eindeutig Anerkennung.