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Projektwettbewerb im offenen Verfahren | 07/2023

Wohnüberbauung Am Rain in Luzern (CH)

1. Rang / 1. Preis

Preisgeld: 60.000 CHF

Bischof Föhn Architekten ETH SIA

Architektur

AKLA – Andreas Kunz Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

B3 | Engineering und Management am Bau

Tragwerksplanung

Lemon Consult AG

Bauphysik

Beurteilung durch das Preisgericht

Kontext, Architektur, Freiraum

Die bestehende Wohnüberbauung am Rain bildet den Ausgangspunkt für den erfrischenden Projektvorschlag «...täglich frisches Obst und Gemüse». Die städtebaulichen und aussenräumlichen Qualitäten der bisherigen Siedlung sollen auch in der neuen Überbauung «Am Rain» erhalten werden. Eine der grossen Stärken des Projekts ist es, dass trotz erhöhter Dichte die Identität und der Charakter der Gartenstadt erhalten bleiben. Dank wohlproportionierter Abstände innerhalb des Gebäudeensembles aber auch zu den angrenzenden Bauten erhält der Vorschlag eine grosse Selbstverständlichkeit und mag städtebaulich zu überzeugen.

Fünf von sechs Häuser werden erhalten, transformiert und erweitert. Geschickt wird die heute engste Stelle mit dem Abbruch des sechsten Hauses an der südöstlichen Parzellenecke behoben: Am Übergang von der Dorfstrasse zur Begegnungszone «Am Rain» entsteht ein einladender Siedlungsplatz mit einem Pavillon für die gemeinschaftlichen Aktivitäten der Genossenschafter:innen. Trotz Bestandeserhalt kann hier auch die Einstellhalle innerhalb des Projektperimeters realisiert werden.

Ein weiterer Schwachpunkt der heutigen Situation – die rückseitige Adressierung der nördlichen Häuserreihe – wird gekonnt geklärt. Sämtliche Erschliessungen liegen neu zur Strasse, die offene Laubengangtypologie mit markanten Treppenhäusern belebt die Quartierstrasse und macht sie zur Kommunikations- und Begegnungszone: Die Strasse beginnt zu leben. Die Platzierung der aussenliegenden Erschliessungen zur Strasse «Am Rain» bedingt jedoch, dass für die beiden südlichen Baukörper eine (grundsätzlich mögliche) Ausnahmebewilligung in Bezug auf den Strassenabstand erforderlich ist. Die Idee eines redimensionierten Strassenprofils wird von der EBG begrüsst, sodass eine richtige Begegnungs- und Spielstrasse entstehen kann.
Der Fussabdruck des Bestands bleibt in der differenzierten Volumetrie ablesbar und wird auch über die Fassade nach Aussen getragen. Dank der die Vertikale betonenden Fassadengestaltung mit einer stehenden Verschalung in Lärche und französischen Fenstern wirken die Baukörper elegant und einladend. Die hellen Hauptvolumen mit Schrägdach und die prägnante Farbgebung der seitlichen Erweiterungen unterstützen die Wahrnehmung als Komposition aus Alt und Neu.

Die Freiraumgestaltung überzeugt durch ein einfaches Konzept mit klarer Zonierung und Programmierung. Durch die Nähe zum Bestand steht auch künftig viel Freifläche zur Verfügung. Zwischen den Gebäuden ergeben sich gut nutz- und gestaltbare Räume, die in der Gestaltung allerdings noch etwas differenziert werden könnten. Mit dem neuen Siedlungsplatz entsteht ein schöner siedlungsteilspezifischer und gemeinschaftlich nutzbarer Ort als Auftakt. Das bestehende Vorgartenthema wird aufgegeben, die Grünräume bleiben jedoch gut erlebbar, da sie in angemessener Breiten zwischen den Bauten bis an die Strasse heranreichen. Hier befinden sich auch einige kleine intimere, gemeinschaftlich nutzbare Plätze und es wird zugleich eine gute Nord-Süd-Verbindung etabliert. Der Projektvorschlag nutzt darüber hinaus geschickt bestehende Strukturen, um ein differenziertes Freiraumangebot zu ermöglichen. So vor allem der nordwestliche Spielplatz, welcher erweitert wird. Etwas mutiger hätte der Hof im Süden integriert werden können. Die Freiräume wirken hier noch abgeschnitten und die Hofmauer ist zu nah an den Bauten.

Das Materialisierungskonzept ist noch etwas unentschlossen, Übergänge und Belagswechsel im Situationsplan eher vage. Das Potenzial für eine hochwertige und differenzierte Bepflanzung - auch im ökologischen Sinn - ist vorhanden, wenn auch nur grob beschrieben.

Nutzung

Die ursprüngliche zweibündige Erschliessung wird zum Dreispänner mit vorgelagertem Laubengang. Es ist äusserst attraktiv, dass eine Grosszahl der Wohnungen eine dreiseitige Orientierung hat. Über ein Gartenzimmer, welches bei den Nordzeilen auch gleich der private Aussenraum ist, betritt man den Wohnraum. Allen Wohnungen gemeinsam ist ein nord-süd-ausgerichteter Wohn-/Essbereich, wobei die grossen Familienwohnungen im Hochparterre von einem überhohen Gartenwohnzimmer profitieren. Die Wohnungen bieten im Grundsatz sehr interessante Ansätze, vermögen aber in Bezug auf ihre Zweckmässigkeit noch nicht restlos zu überzeugen. So ist eine Mehrzahl der Zimmer vom Wohnbereich aus erschlossen – eine Abstufung nach Privatheit wäre wünschenswert. Zudem sollen in einem nächsten Schritt die Belichtungsverhältnisse in den tiefen Wohn-/Essbereichen überprüft und sämtlichen Wohnungen ein attraktiver Aussenraum angeboten werden.

Der geforderte Wohnungsmix ist sehr gut erfüllt. Es wird eine vergleichsweise grosse Anzahl von 60 Wohnungen erreicht, was bei der weiteren Projektbearbeitung willkommenen Spielraum für Anpassungen der Grundrisse bietet.

Funktionalität, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit

Die Projektverfassenden haben sich umfassende Gedanken zur Nachhaltigkeit gemacht und Themen wie «Re-Use», Recycling und Ressourcenschonung werden sehr ernst genommen. Die Konzeption als Holzbau für die neuen Bauteile ist fürs Projekt stimmig und konsequent. Die Wohnungen stehen im Spannungsfeld der gemauerten Wände des Bestands und den An- und Aufbauten in Holzbauweise. Der Projektvorschlag zeichnet sich aus durch einen pragmatischen Umgang mit dem Bestand, welcher sich auch positiv auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt.

Es handelt sich um ein kompaktes Projekt, welches knapp ein Drittel der Geschossfläche mit bestehender Substanz abdeckt. Der hohe Anteil vermietbarer Hauptnutzfläche ergibt eine überdurchschnittliche Ausnutzung. Mit den durchschnittlichen Investitionskosten wird eine erhöhte Bruttorendite erreicht.

Die statischen Überlegungen erscheinen schlüssig. Die Lastabtragung in den Bestandesbauten über die Längswände bleibt erhalten und wird für die Aufstockung in Leichtbauweise übernommen. Die seitlichen Erweiterungen – ebenfalls in Holzbauweise – helfen bei der Aussteifung des Gesamtgebäudes.

Fazit

In der Gesamtbetrachtung liegt ein sehr interessanter und sorgfältig ausgearbeiteter Wettbewerbsbeitrag vor. Das Projekt «...täglich frisches Obst und Gemüse» fügt sich angemessen in den bestehenden Kontext ein – es hat einen eigenen, starken Charakter und wirkt dennoch am Ort verwurzelt. Mit einem intelligenten Ansatz integrieren die Projektverfassenden den Bestand in die neue Siedlung und entwickeln so für die EBG ein ressourcenschonendes Leuchtturmprojekt, welches attraktive Orte der Begegnung schafft und somit auch die Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit gebührend berücksichtigt. Die Freiraumgestaltung nutzt geschickt bestehende Strukturen und ergänzt diese gezielt mit neuen Orten, um gemeinschaftliches Wohnen zu ermöglichen. Die Freiräume sind grosszügig und können einen hohen Wert für Mensch und Natur gleichermassen erreichen.