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Mehrfachbeauftragung | 10/2023

Umgestaltung Europaplatz am Berliner Hauptbahnhof

Perspektive

Perspektive

Teilnahme

Neumann Gusenburger Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

REALISIERUNGSTEIL
Europaplatz 1 ist die Adresse des größten und wichtigsten Personenverkehrsbahnhofs Berlins, dem Berliner Hauptbahnhof und zugleich Knotenpunkt und Schnittstelle verschiedenster Verkehrsarten. Der Europaplatz spielt somit neben seiner überregionalen Funktion eine entscheidende Rolle im städtischen Mobilitätsnetzwerk.
Die Gestaltung und Organisation dieses Bereichs erfordern eine strukturierte Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsarten, um eine effiziente und reibungslose Mobilität zu gewährleisten. Dabei müssen sowohl die Grundsätze der Mobilität als auch die Flächenansprüche und die Interaktionen zwischen den Verkehrsteilnehmern berücksichtigt werden.
Eine der grundlegenden Herausforderungen bei der Gestaltung des Europaplatzes besteht darin, die Bedürfnisse und Anforderungen unterschiedlicher Verkehrsarten in Einklang zu bringen. Dies erfordert eine sorgfältige Planung und Aufteilung der verfügbaren Flächen. Fuß- und Radverkehr, öffentliche Verkehrsmittel und Sharing-Dienste müssen gleichermaßen berücksichtigt werden.
Unabhängig hiervon ist dieser Vorplatz jedoch auch eine der Adressen Berlins, die den (ersten) Eindruck für Ankommende maßgeblich prägen. Gemäß vorliegender Planung wird man auf einem grünen Platz empfangen. Schon der Blick durch die Glasfassade der Eingangshalle wird einladend sein. Es entsteht auf der urbanen Seite des Bahnhofs das grüne Komplementär zum Washingtonplatz auf der Spreeseite.
Im Sinne der Mobilität werden die Zugänge zum Europaplatz für alle Verkehrsteilnehmer so einfach und bequem wie möglich gestaltet. Dies bedeutet, dass Fußwege und Radwege klar gekennzeichnet und sicher gestaltet werden. Zudem wird die Erreichbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel durch barrierefreie Zugänge und Haltestellen unterstützt. Die Integration von Sharing-Diensten erweitert die Mobilitätsoptionen und minimiert die Flächenansprüche.
Die Flächenansprüche auf einem Bahnhofsvorplatz sind oft begrenzt, und es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, den Anforderungen der Verkehrsteilnehmer gerecht zu werden. Die effiziente Nutzung von Raum auf dem vergleichsweise kleinen Bahnhofsvorplatz ist daher von großer Bedeutung. Dies kann durch die Förderung von öffentlichem Verkehr und umweltfreundlichen Verkehrsmitteln unterstützt werden. Aufenthaltsflächen für Verkehrsteilnehmer die auf ihre Anschlussverbindung oder auf am Bahnhof ankommende Gäste warten sind von ebenso großer Wichtigkeit. Ein Bahnhofsvorplatz ist immer auch ein Ort der Verabschiedung und Begrüßung. Er sollte deswegen sowohl räumlich als auch gestalterisch auf die Menschen bezogen sein. Dies wurde in vorliegendem Entwurf versucht.
Der Entwurf bildet eine Kombiantion aus urbanem Platz und „Pocket-Park“ vor, der durch Baumpflanzungen und Sitzmöglichkeiten einen Treffpunkt zwischen den Stadtquartieren bildet. Die primäre Funktion des Platzes als Schnittstelle zwischen den Verkehrsarten gliedert den Platz fächerförmig auf, um die Verkehrsströme intuitiv zu leiten.
Die zwei breiten, sich zum Bahnhof leicht verjüngenden Hauptwege (die perspektivische Wirkung lässt den Platz in Blickrichtung Hbf etwas größer erscheinen) führen auf direktem Weg zu den ÖPNV Haltestellen Berlin Hauptbahnhof. Sie werden wie im Berliner Straßenland üblich (und auch direkt anschließend ausgeführt) in einer Gehbahn aus Platten (in diesem Fall aus nach Umbau des Platzes in einigen Jahren wiederverwendbaren, befahrbaren Granitplatten in 8 cm Dicke) und einem Ober- und Unterstreifen aus Mosaikpflaster hergestellt werden. Diese knüpfen an taktile Auffindstreifen gleicher Materialität an und bilden somit die Wegeführung für Blinde und durch den farblichen Kontrast zwischen hellen Granitplatten und dunklem Mosaik auch für sehbeeinträchtigte Menschen. Beim Verlassen des Bahnhofes kann diese Personengruppe sich zunächst an einem Tastmodell orientieren und wird über genannte Auffindstreifen über Aufmerksamkeitsfelder ihrem jeweiligen Verkehrsmittel geleitet.
Die Aufmerksamkeitsfelder sind außerdem in der Farbe des am Ende eines jeden Auffindstreifens gelegenen ÖPNV Angebotes eingefärbt. Diese Farbe wird durch einzelne, entsprechend lasierte Keramikmosaiksteine in den Auffindstreifen wiederholt, sodass auch visuell nicht beeinträchtigte Menschen durch die Streifen zu ihrem jeweiligen Verkehrsmittel geleitet werden.
Die Wege, sowie die Platzfläche unterhalb des gläsernen Vordaches des Bahnhofes sind von Sitzbänken flankiert. Durch die relativ hohe Anzahl an Bänken ist einerseits die Verfügbarkeit freier Sitzplätze sichergestellt und andererseits wird durch die Angebotswirkung die Aufenthaltsfunktion des Platzes bewusst betont. Oftmals wird auch ein gewisser Abstand zwischen den einzelnen Nutzern von diesen als angenehm empfunden. Durch die Aufstellflächen zwischen den Bänken können sich auch Rollstuhlfahrende integrativ zu ihren Mitmenschen gesellen. Die Sitzflächen der Bänke sind aus Treibgutplastik hergestellt und sind somit nicht nur dauerhaft und leicht zu reinigen, sie leisten als Recyclingprodukt aus dem Müll der Weltmeere auch einen kleinen Beitrag zur Bewältigung des weltweiten Umweltproblems der Vermüllung der Ozeane.
Die zwischen den Wegen entstehenden Rasenflächen werden von Salix alba (Silberweide, in der Reihe) und Salix alba „Tristis“ (Hängeweide, an den südlichen Enden der Baumreihen) gesäumt, einem heimischen, sehr stadtklimaverträglichen Baum, der außerordentlich schnell wächst und deswegen sowohl die räumliche als auch die schattenspende Funktion schon in wenigen Jahren voll erfüllen wird (schon nach 5 Jahren werden ca. 8-10 m Baumhöhe erreicht, nach 8 Jahren ca. 12-14m). Dies ist natürlich auch im Hinblick auf die temporäre Gestaltung von überragender Bedeutung. Die Bäume werden zu einer Verbesserung des Mikroklimas auf dem Platz beitragen. Im Osten und Westen werden die von Bäumen gesäumten Rasenflächen durch robuste standortgerechte Stauden- und Gräserpflanzungen flankiert, die das Ensemble fassen und farbliche Akzente in der Vegetation setzten.
Die Schaffung von grünen Bereichen und Sitzgelegenheiten gestaltet den Platz nicht nur funktional, sondern auch attraktiv. Die Grünflächen tragen außerdem zur Entsiegelung des Platzes bei und dienen als Baumrigolen zur Entwässerung der befestigten Flächen. Der Niederschlag, der nicht über die Grünflächen abgeleitet wird, soll über die bereits im Bestand befindliche breite Entwässerungsrinne abgeleitet und in ein unterirdisches Speichervolumen geleitet werden. Von dort wird das gespeicherte Regenwasser über Unterflurtropfrohre zur Bewässerung der Grünflächen genutzt. Durch die Unterflurbewässerung wird das Wasser direkt an den Wurzeln verfügbar gemacht und verhindert die direkte Verdunstung der Wassergabe. Auch ist diese Form der Bewässerung nahezu vollständig vor Vandalismus geschützt.
Auf der Westseite des Platzes entstehen 140 Fahrradstellplätze an Anlehnbügeln. Die auf dem Platz befindlichen Leuchten werden in der Lage versetzt aber bleiben weiter in Verwendung. Die vor dem Bahnhofseingang stehenden Ascher werden zwischen die Säulen der vorgehängten Fassade der Bügelbauten versetzt, sodass möglichst nicht unmittelbar vor dem Haupteingang geraucht wird, Rauchende aber nach wie vor wettergeschützt stehen können. Das Abfahrtszeitendisplay verbleibt an Ort und Stelle. Auch die großen BSRMüllbehälter sollen weiter Verwendung finden. Die Zugänglichkeit der Müllbehälter für die Müllfahrzeuge ist über die Feuerwehrumfahrung sichergestellt.
Die Feuerwehrumfahrung verläuft über eine Zufahrt aus der Ella-Trebe-Straße sowie Invalidenstraße entlang der Nordfassade des Bahnhofes und mündet an der Nordwestseite des Platzes wieder in die Invalidenstraße. Sie verfügt über jeweils eine Bewegungsfläche vor den beiden Bügelbauten, vor dem Bahnhofseingang und vor dem Eingang zum U-Bahnhof auf der Westseite des Platzes. Dort, wo die Umfahrung die südöstliche Grünfläche schneidet, soll diese in Schotterrasen hergestellt werden.
Ein zentraler Trinkbrunnen gegenüber des Bahnhofeinganges soll als Erfrischungsangebot dienen und stellt eine nachhaltige Alternative zu Wasser aus Plastikflaschen dar. An der Nordseite des Bahnhofvorplatzes, vis-à-vis der Bushaltestelle sollen außerdem drei Fahrgastunterstände entstehen, um Wartende vor der Witterung zu schützen.
Insgesamt verfolgt die Gestaltung des Europaplatzes aus verkehrsplanerischer Sicht eine ganzheitliche Herangehensweise, bei der die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer berücksichtigt werden. Die Prinzipien der Mobilität und Flächennutzung werden in Einklang gebracht, um einen gut funktionierenden, sicheren und nachhaltigen Verkehrsknotenpunkt zu schaffen. Dies trägt nicht nur zur Effizienz der Mobilität in der Stadt bei, sondern auch zur Lebensqualität der Bürger und zur Reduzierung der Umweltauswirkungen des Verkehrs.
IDEENTEIL
Ein weiterer entscheidender Aspekt bei der Gestaltung des Europaplatzes und den angrenzenden öffentlichen Verkehrsflächen ist die Interaktion zwischen den Verkehrsteilnehmern. Fuß- und Radverkehr müssen sich sicher und komfortabel bewegen können, ohne von motorisiertem Verkehr gefährdet zu werden. Insbesondere bei der Annäherung an Haltestellen ist für größtmögliche Übersicht bei der Interaktion von z. B. Radverkehr entlang der Invalidenstraße und Busfahrgästen, die den Radweg queren müssen, zu sorgen. Klar separierte und regelkonform gestaltete Verkehrsflächen sind hierbei von großer Bedeutung. In diesem Sinne wird die Radwegbreite im Bereich der Bushaltestellen verengt hergestellt. Im weiteren Verlauf, in Höhe des geplanten Hochhauses, weitet sich der Radweg auf eine Breite von 2,50 Metern auf, was ein Überholen ermöglicht und den Anforderungen des Radvorrangnetzes entspricht. Der Radweg verlagert sich hier außerdem in Richtung der Invalidenstraße, verbleibt aber höhenmäßig getrennt von der Fahrbahn. Rad- und Fußverkehr werden durch eine Reihe von Straßenbäumen (Tilia cordata, Winterlinden – Sämlingen, da trockenheitsverträglicher) getrennt.
Die Gehbahn weist auf der gesamten Strecke eine Breite von 3,00 Metern auf und soll entsprechend des umliegenden Stadtbildes aus Betonrechteckplatten mit seitlichen Bischofsmützen hergestellt werden. Durch Ober- und Unterstreifen aus Moasikpflaster weist der Gehweg eine Gesamtbreite von 3,60 m bis 6,10 m auf.
Um einen barrierefreien Einstieg an der Bushaltestelle Hauptbahnhof an der Nordseite des Bahnhofvorplatzes zu gewährleisten, wird die Einstiegshöhe auf der gesamten Länge der Bushaltestelle durch Kasseler Sonderbord plus auf 22 cm ggü. dem Straßenniveau erhöht. Die Aufstellfläche am Fußgängerübergang über die Invalidenstraße wird vertieft, sodass hier eine größere Fläche entsteht und Fußgänger besser vom Radverkehr separiert sind.

Lageplan

Lageplan