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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2023

Neugestaltung Umfeld Hohenburgschule mit Piazza Albano Laziale und Urban Gardening in Homburg

Perspektive

Perspektive

2. Preis

Preisgeld: 5.874 EUR

3:0 Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Piazza trifft Giardino: ein neuer Stadtgarten entsteht
Im Zuge des landschaftsarchitektonischen Entwurfs für den derzeitigen Parkplatz in Homburg wird eine umfassende Transformation zur Schaffung eines ästhetischen Stadtgartens vorgeschlagen. Das Konzept zielt darauf ab, die bestehenden versiegelten Flächen zu reduzieren und Raum für mehr Begrünung und versickerungsoffene Aufenthaltsbereiche zu schaffen. Zusätzlich werden ca. 30 neue Bäume nach dem „Schwammstadtprinzip für Straßenbäume“ gepflanzt.
Um den Straßen verkehrlichen Durchzugscharakter am Ort zu verringern und den Fuß- und Radverkehr zu stärken, wird der angrenzende Teil der Fruchthallstraße zur „Begegnungszone“ als verkehrsberuhigter Bereich. Die erhöhten Gehsteigbereiche entfallen zugunsten einer verbesserten Barrierefreiheit. Die Farbigkeit der Pflasterfläche „terrakotta“ wird dabei für die Straße übernommen, sodass ein einheitliches platzübergreifendes Erscheinungsbild entsteht. Der Charakter der Straßen tritt dadurch stark zurück und erfordert vom MIV mehr Rücksichtnahme.

Vom Parkplatz zur Piazza Verde
Der gegenständliche Entwurf greift das „grüne“ Potenzial der Bestandsbäume auf, fasst dieses mit weiteren Baumpflanzungen und Pflanzinseln zu Archipel-artigen „Klima-Oasen“ zusammen, sodass ein größtmöglicher Teil des Platzes natürlich überschattet werden kann. Dadurch wird der Platz deutlich kühler. Die organisch-geschwungene Gestaltung ermöglicht den Nutzer:innen auf der einen Seite das übersichtliche Durchschreiten des Platzes als Transitraum und verbessert andererseits die Nutzung als vielfältiger, atmosphärischer Aufenthaltsraum (Kommunikation, Treffpunkt, Pausieren und Verweilen, niederschwelliges Spielen für Kinder, etc.).
Eine einheitliche Oberflächengestaltung aus hellem, terrakottafarbigem Pflaster im römischen Verband als Anlehnung an die Städtepartnerschaft mit Albano Laziale soll zusätzlich optisch-gestalterischen Zusammenhalt schaffen. Für die Fruchthallstraße wird als Belag Asphalt und ein Oberflächensystem auf Bindemittelbasis mit gleicher Farbigkeit vorgeschlagen (farblich abgestimmter Natursplit), sodass die Einheit visuell erhalten bleibt und der Verkehrsfluss verlangsamt wird.
In den Seitenteilen der neuen Platzgestaltung werden den Anwohner: innen „Urban Gardening Spots“ zur Verfügung gestellt, die aktiv mitgestalten werden können. Dieses Engagement könnte durch ein Vereinssystem gefördert und organisiert sein. Gemeinsam mit der Stadt müssten mit den
Interessent: innen Statuten festgelegt werden, in welchem Rahmen die kollektive Aneignung dieser Bereiche gestattet ist.
Für die Situation im Norden des Piazza Albano Laziale mit der abschließenden Mauer wird eine Aufweitung der aktuellen Stiege zu einer breiten Sitzstufenanlage empfohlen, die diesen öffentlichen Raum einsichtiger gestalten und die Bereiche attraktiv zusammenführen soll. Die Anlage kann dadurch auch als Freiluftauditorium für Veranstaltungen der zukünftigen Präsenzbibliothek verwendet werden (kleinere Aufführungen und Lesungen, etc.).

„Klima-Oasen“: Entsiegeln, Entwässern, Beschatten
Das Modul der „Klima-Oase“ beinhaltet jeweils einen großen entsiegelten Bereich mit wassergebundener Decke als versickerungsoffenem Belag und mehreren Baumgruppen in jeweils inselartigen Grünflächen. Insgesamt kann dadurch der Anteil der Entsiegelung im Kernbereich des Projektgebietes von derzeit rund 500m2 auf circa 1.800m2 erhöht werden. Das entspricht einer circa 300%igen Verbesserung!
Drei dieser Klima-Oasen strukturieren den Bearbeitungsperimeter und fassen die Piazza mit dem La Baule Platz zusammen. Die Gehölzauswahl definiert die drei Oasen und über deren phänomenologische Aspekte werden diese zu adressbildenden Aufenthaltsbereichen: „Waldfrische“ (Duft), „Frühlingserwachen“ (Blütenpracht) und „Herbstzauber“ (Laub).
Die Grünflächen werden mit ausgewählten und heimischen Staudensorten bepflanzt und so gestaltet, dass sich die Biodiversität verbessert (Bienenweide, kontrollierter Wildwuchs, verringerte Mahd, etc.). Sie sind die natürlichen Klimaanlagen und „beatmen“ den neuen Stadtgarten. Die Belagswahl der Wassergebundenen Decke ermöglicht zudem die zeitweise Befahrung durch Einsatz- und sonstige Fahrzeuge und die Nutzung der Klima-Oasen für kleinere Veranstaltungen. Die Möglichkeit bereichsweise auf identitätsstiftenden Bogenbänken um diese Grünflächen zu sitzen, erlaubt mehr Aufenthalt und zahlreiche unterschiedliche Ausblicke.
Das Fundament bzw. den unterirdischen Sockel jeder Klima-Oasen bildet das Schwammstadt-Prinzip für gesund wachsende Stadt-Bäume (erweitertem Wurzelraum: mindestens 35m3 pro Baum) und dient zusätzlich der Speicherung größerer Niederschlagsmengen.

Platzentwässerung und -versickerung
Das Schwammstadt-Prinzip für (Straßen)Bäume stellt eine besondere Art des Umgangs mit Baumstandorten im Siedlungsraum dar, wodurch der Unterbau von Plätzen und Wegen auch als Wurzelraum und Wasserretentionsraum besser genutzt werden kann. Und dies unter Verwendung regionaler mineralischer Rohstoffe und von Reststoffen aus dem lokalen Gartenbau und der Grünflächenpflege.
Mit diesem Bauprinzip wird nicht nur der Baumstandort nachhaltig verbessert, sondern es kann zusätzlich vermehrt Regenwasser retendieren und Teile des kommunalen Kanalsystems können bei Starkregenereignissen entlastet werden. Das Schwammstadt-Prinzip basiert auf langen Erfahrungen aus dem skandinavischen Raum („Stockholm System“) und dem dort praktizierten Umgang mit Starkregenereignissen als wichtiger Teil der Lösung für das überlastete lokale Kanalsystem.
Ergänzend dazu werden entlang der Wege Schließfächer und Ladestationen installiert. Dieser Aspekt erscheint relevant, da er die praktischen Bedürfnisse der zeitgenössischen Nutzer berücksichtigt. Die Schließfächer bieten sicheren Raum für die Aufbewahrung persönlicher Gegenstände, während die Ladestationen die wachsende Nachfrage nach Elektromobilität befriedigen.

Wasser
Ein kleiner bodenbündiger Fontänen-/Nebelbrunnen als spielerisches Wasserelement für Jung und Alt akzentuiert den zentralen gepflasterten Bereich des Stadtgartens. Der Brunnen lädt ein, sich zu erfrischen, spielerisch aktiv zu werden (Kinder) oder müßig zu verweilen und das Treiben und Geschehen zu beobachten. Bei besonderen Veranstaltungen kann der Brunnen ausgeschaltet werden und die Fläche steht flexibel für alternative Nutzungen zur Verfügung. Drei Trinkbrunnen in den Klima-Oasen löschen den Durst der Nutzer:innen an heißen Tagen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Wettbewerbsentwurf 1004 entspricht grundsätzlich dem Förderaufruf des BMWSB zur „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ und leistet durch eine gezielte Entwicklung der grünblauen Infrastruktur einen Beitrag zur klimagerechten Stadtentwicklung, da hier soziale und ökologische Herausforderungen durch zunehmende lokale Klimaveränderungen zusammentreffen, die einer neuen integrierten Herangehensweise und Erprobung bedürfen.
Ebenso erfüllt der Wettbewerbsentwurf 1004 das vom Auslober geforderte Konzept zur Neugestaltung des Umfeldes der ehemaligen Hohenburgschule mit „Piazza Albano Laziale“ und „Urban Gardening“, um den Zielen der Nachhaltigkeit, insbesondere der Klimaanpassung, gerecht zu werden und darüber hinaus die Aufenthaltsqualität und Attraktivität zu steigern.
Besonders positiv hervorzuheben ist, dass es mit den gewählten Gestaltungselementen gelingt, viele Möglichkeiten hinsichtlich der Ökologie und Klimaresilienz sowie gewünschte Nutzungen und Programmpunkte in lockerer Form in den gegebenen Stadtraum zu integrieren. Damit verbunden sind die Ziele der Entsiegelung, der Integration des Prinzips der Schwammstadt, der Stärkung des schattenspendenden Grüns und der Schaffung von mehr Aufenthaltsqualität. Dass es letztlich wenig nachhaltig sein wird, Wasserspiele mit Leitungswasser betreiben zu müssen, nimmt das Preisgericht zur Kenntnis, ohne diesen Punkt weiter zu bewerten.
Dem steht entgegen, dass die Hohenburgschule als historisches Gebäude mit wertvoller kultureller Zukunft gestalterisch und funktional wenig in die Formensprache eingebunden ist. Die drei Oasenmotive sind letztlich willkürlich geformte Orte, die wenig Rücksicht auf die Besonderheiten des Ortes und seiner Umgebung nehmen. Als besonders störend an den Oasen wurden die Bogenbänke empfunden, die den Platzraum und den Zugang zum Kultur- und Bildungszentrum verstellen.
Die Besonderheit des Ortes durch eine vom weiteren Stadtraum losgelöste Materialwahl zu suchen, wird anerkannt, sollte aber anstelle der Terrakotta-Idee zurückhaltender und verträglicher zur umgebenden Bebauung ausfallen. Darüber hinaus werden Konflikte mit der Umgebung durch die randlich platzierten „Urban Gardening“ Zonen gesehen.
Die Barrierefreiheit außerhalb des Wettbewerbsgebietes wird nicht kommentiert. Die fehlende Barrierefreiheit innerhalb des Wettbewerbsgebietes ist jedoch ein gravierender Mangel, den das Preisgericht nicht übersehen kann und will. Auch die vorgeschlagenen Schließfächer und Ladestationen liegen leider teilweise außerhalb des Wettbewerbsgebietes. Weitere Elemente einer nachhaltigen Mobilität fehlen.
Der Wettbewerbsentwurf kann mit seinen geringen Eingriffen in den Bestand durchaus erfolgreich sein und die angestrebte Lösung mit wirtschaftlich tragfähigen Rahmenbedingungen erreichen.

Grundriss

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