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Mehrfachbeauftragung | 09/2023

Entwicklung Innenstadt in Glarus (CH)

Teilnahme

Chaves Biedermann Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

raum.manufaktur.ag

Verkehrsplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau/Freiraum
Mit ihrem Vorschlag Clarus bezweckt das Team eine Aufwertung und gleichzeitige Klärung der Stadträume. Ziel ist eine klar lesbare Raumabfolge von unterschiedlichen Strassenräumen und Platzsituationen, die das öffentliche Leben in Glarus aktivieren soll und die Aufenthaltsqualität stärkt. Das charakteristische Raster der Stadt des 19. Jahrhunderts wird durch die vorgeschlagene Hierarchisierung mit Bäumen und entsprechenden Strassenquerschnitten anschaulich herausgearbeitet. Die Hauptstrasse wird wieder in ihrer ganzen Länge gedacht und gestalterisch mit einer regelmässigen Baumreihe an die bestehende Allee im südlichen Teil angeknüpft. Durch die Anpassung der Fahrbahnbreite entstehen grosszügige Vorzonen, welche durch das Gewerbe mitgenutzt werden können. Zwischen den Bäumen werden Parkplätze auf dem Trottoir angeboten, die ohne baulichen Aufwand auch anders genutzt werden könnten. Im Bereich des Spielhofs, des Rathausplatzes und der Bahnhofstrasse wird ein Mittelstreifen vorgeschlagen, welcher im Bereich des Spielhofs und der Bahnhofstrasse begrünt wird, beim Rathausplatz im Sinne einer optischen Verbindung die Einheit des Platzes über den Strassenraum hinweg sicherstellen soll. Vor dem Hintergrund des Temporegimes der Hauptstrasse und um die Nutzung des Mittelstreifens als Querungshilfe zu verhindern ist dieser Ansatz nachvollziehbar. Im innerstädtischen Stadtraum des 19. Jahrhunderts wirkt er fremd und verstärkt nach Ansicht des Beurteilungsgremiums die Wahrnehmung der Hauptstrasse als primärer und trennender Verkehrsraum.

Die Plätze und Strassenräume werden differenziert gestaltet und materialisiert, ihr jeweiliger Charakter aufgegriffen und verstärkt. Hervorzuheben ist der sehr interessante Ansatz des Teams, den Bushof auf den Vorplatz des Bahnhofs zu verlegen und die Vorzone vor dem Glarnerhof einschliesslich Verlagerung der Parkplätze zu verbreitern. Allerdings führt die Umordnung der Parkplätze und die Führung der Fusswegverbindung durch den Volksgarten eher zu einer Trennung zwischen Park und Stadt und weniger zu einer Stärkung der Verbindung.

Verkehr
Die Hauptstrasse und Bahnhofstrasse sind in unterschiedlich gestaltete Abschnitte unterteilt. In den Abschnitten Spielhof, Rathausplatz und Bahnhofstrasse wird ein Mehrzweckstreifen, teilweise begrünt, eingeführt. Die Fahrstreifen sind 3.00 m breit. Im Kernbereich zwischen Spielhof und Rathausplatz wird die Fahrbahn auf die minimal erforderliche Breite für die Begegnung LW/LW von 6.70 m reduziert. Auf dem nun überbreiten Trottoir sind weiterhin Längsparkfelder angeordnet. Es werden so kaum mehr Flächen als heute für den Fussverkehr entlang der Hauptstrasse angeboten. Die gewählten schmalen Breiten der Fahrbereiche auf der Kantonsstrasse geben vor, dass der Veloverkehr auf die seitlichen Parallelachsen geführt wird. Es ist unklar, wie Ausnahmetransporte in den Abschnitten mit begrünten Mehrzweckstreifen geführt werden.

Mit der Gestaltung der Kantonsstrasse soll trotz Signalisation von Tempo 50 die Zielgeschwindigkeit 30 angestrebt werden. Zusammen mit dem flächigen Tempo 30 auf den anderen Strassen wird die Angleichung der gefahrenen Geschwindigkeiten im Zentrum von Glarus erreicht. Der abschnittsweise nicht begrünte Mehrzweckstreifen ermöglicht in den Bereichen Spielhof, Rathausplatz und dem Gemeindehausplatz das Linksabbiegen mit geringer Behinderung des Verkehrsflusses auf der Kantonsstrasse.

Beim Spielhof und Rathausplatz werden weiterhin eine geringe Anzahl Parkfelder angeboten, wodurch die beiden Flächen nach wie vor mit Verkehr belegt bleiben. Mit der starken Gestaltungsabsicht in allen Strassenräumen soll eine Angleichung der Geschwindigkeiten im Zentrum erreicht werden, ohne das vorgegebene Temporegime 50 auf der Kantonsstrasse in Frage zu stellen.

Gestaltung
Ausgehend von der orthogonalen Struktur der Stadt Glarus wird ein Gestaltungssystem entwickelt, das die funktionale Hierarchie der Strassen auch gestalterisch abbildet. Die Hauptgasse als zentrale Achse wird vom Spielhof über den Rathausplatz mit einer Allee bespielt. Zwischen den Bäumen werden auf Gehwegniveau Parkplätze, aber auch weitere multifunktional nutzbare Flächen angeboten. Entlang der Fassaden ist ein ca. 1.30 m breiter Streifen aus Natursteinpflaster vorgesehen. Dieser soll den Sockelnutzungen zur Verfügung stehen. Für die Bahnhofstrasse wurde dieses Gestaltungsprinzip grundsätzlich übernommen. Auf eine Allee wurde jedoch verzichtet. Dies zu Gunsten einer Baumreihe und eines begrünten Mittelstreifens. Damit wurde eine Typologie geschaffen, die im Widerspruch zu den sonst vorgesehenen Typologien steht und in ihrer funktionalen Wirkung problematisch erscheint.

Der Spielhof wird mit einem Natursteinpflaster und neu gestalteten Grünflächen erneuert. Die Grundstruktur des Raumes bleibt jedoch erhalten und erfährt durch die Neugestaltung eine Klärung. Der begrünte Mittelstreifen entlang der Hauptstrasse kann als Vermittler zwischen dem Rathausgarten und den Pocketparks auf der gegenüberliegenden Strassenseite gelesen werden. Die Parkplätze auf dem Gehweg wirken an dieser Stelle etwas verloren.

Der Rathausplatz wird durch Bäume gefasst. Der gesamte Platz wird mit Natursteinpflaster belegt. Darauf werden teppichartig eine Gartenwirtschaft sowie zwei Wasserspiele angeordnet. Das angestrebte offene Platzerlebnis wird leider durch die der Gartenwirtschaft angegliederten Parkfelder etwas getrübt. Die Achse Bahnhof bis Zaunplatz kann als Einheit gelesen werden, deren Zentrum der Gemeindehausplatz bildet. Die entsiegelte Fläche um den Berggeistbrunnen würdigt den Bestand und tritt durch den Belagswechsel als markanter Punkt in Erscheinung.

Die Kirchstrasse wird durch Natursteinpflaster von Fassade zu Fassade sowie durch eingefügte «Akzentbäume» aufgewertet. Die Gestaltung steht in direktem Kontakt zur Kirche und soll die Achse Kirche – Haus zur Stampf deutlich stärken.

Für die Burg-, Bank- und Gerichtshausstrasse ist vorgesehen, die seitlichen Parkplätze zu entsiegeln und mit zusätzlichen Bäumen zu akzentuieren. Eine Entsiegelung in diesem Umfang in Kombination mit einem entsprechenden Regenwassermanagement stellt einen guten Beitrag zur klimaangepassten Stadt dar.

Nutzung
Die heutige Struktur der Innenstadt (Bebauung, Nutzungen, Verkehrsverbindungen) wird detailliert analysiert und sorgfältig weiterentwickelt. Neben den drei Plätzen (Spielhof, Rathausplatz, Gemeindehausplatz) und der Hauptverkehrsachse (Hauptstrasse, Bahnhofstrasse) werden Querverbindungen wie die Kirchstrasse und die Verbindung zwischen dem Bahnhof und Zaunplatz (Ost-West-Achse «von der Linth durch die Stadt zum Glärnisch») aufgewertet. Eine Aufwertung dieser Ost-West-Achse sieht auch die – unter Mitwirkung des Gewerbes und der Liegenschaftseigentümer erarbeitete – Vision «Zukunft Innenstadt» aus dem Jahre 2018 vor. Mit zurückhaltenden Eingriffen (Schaffung einer Platzsituation beim Gemeindehaus, Ergänzung des Baumbestands) wird auf dieser Achse Raum für Begegnungen geschaffen. Dem Detailhandel und der Gastronomie werden über die Nutzung der erweiterten Aussenflächen neue Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet. Über die Anforderungen des Studienauftrags hinaus enthält die Eingabe Vorschläge zur Aufwertung des Bahnhofplatzes und der Schweizerhofstrasse und verbindet so die für den Detailhandel wichtigen Frequenzbringer Coop, Migros und Aldi mit der Innenstadt.

Auf der Haupt- und Bahnhofstrasse werden die Parkplätze auf die Ebene des Trottoirs gehoben. Dies schränkt die Fahrbahn optisch ein und reduziert – wie dies auch der Vision «Zukunft Innenstadt» vorsieht – die Trennwirkung der heutigen Strasse. Sollte sich entlang der Haupt- und Bahnhofstrasse der Bedarf an Parkplätzen künftig reduzieren oder sollte er ganz wegfallen, können die entsprechenden Flächen ohne grossen Aufwand dem Trottoir zugeschlagen und die Aufenthaltsqualität so zusätzlich erhöht werden. In Absprache mit den angrenzenden Ladenbetreibern lassen sich Parkfelder auch punktuell und temporär für andere Zwecke nutzen. Dies schafft Flexibilität und bietet dem Gewerbe in den Erdgeschossen neue Entwicklungsmöglichkeiten.

Der neu gestaltete Rathausplatz bietet Platz für Veranstaltungen und schafft Räume zur freien Aneignung. Kommerzielle Nutzungen werden vor allem auf der östlichen Seite des Platzes angesiedelt, in Abstimmung mit den entsprechenden Erdgeschossnutzungen (Detailhandel, Gewerbe). Auf der Seite des Rathauses belebt ein Wasserspiel den Platz, wenn keine Veranstaltungen stattfinden. Parkplätze werden teilweise abgebaut; sie verschwinden jedoch nicht ganz. Dies kann der Qualität des Platzes als zentralem Aufenthalts- und Begegnungsort abträglich sein; kann jedoch aus gewerblicher Sicht einen Vorteil darstellen.