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Offener Wettbewerb | 10/2023

Neubau Staatsarchiv Waldau in St.Gallen (CH)

3. Preis

Preisgeld: 40.000 CHF

Thomas K. Keller Architekten

Architektur

Kollektiv Nordost

Landschaftsarchitektur

Dr. Deuring + Oehninger AG

Tragwerksplanung

Calorex AG

TGA-Fachplanung

Christian Meier

Nachhaltigkeitskonzept, Bauphysik

Brandsicher AG

Brandschutzplanung

etb Elektroplanung GmbH

Energieplanung

Fiorio Fassadentechnik GmbH

Fassadenplanung

Indievisual AG

Visualisierung

Beurteilung durch das Preisgericht

Um für das Staatsarchiv einen qualitätsvollen und repräsentativen Ort zu schaffen, wird der ehemalige Verpflegungs- und Eingangsbereich um ein Geschoss aufgestockt. Eine Massnahme, die zwar einen Mehrwert schafft, aber im wahrsten Sinne des Wortes einen hohen Preis hat. Der Publikumsbereich wird um ein grosszügiges Atrium über zwei Ge- schosse organisiert. Aus dem EG mit Foyer und Empfang gelangt man über eine Freitreppe ins OG in den Lesesaal und zum Veranstaltungsraum. Die grosszügige Geste wird zur betrieblichen Herausforderung und die Aufsicht wird erschwert.

Die Aufstockung in Holzbauweise kann einzig als Beitrag zur Treibhausgasreduktion überzeugen. Trotz des Versuchs der Angleichung der Holzstruktur an den Sichtbeton durch Metallpigmente, wirkt das auskragende Dach schwerfällig und dominiert den Bestand. Der stark gerichteten Bestandsstruktur wird ein quadratisches System mit zentraler Erschliessung aufgezwungen. Dies führt zu konstruktiven Unstimmigkeiten; So werden die Primärträger des neuen Dachs kreuzweise angeordnet, was statisch wenig sinnvoll ist und wohl dem Gestaltungswillen geschuldet ist. Am meisten irritiert aber die durch den hölzernen Aufbau notwendige Erweiterung des Betondachs im EG, das sowohl aus denkmalpflegerischer wie auch aus architektonischer Sicht viele Fragen aufwirft. Aus betrieblicher Sicht überzeugt das Projekt leider nicht. Dem archivischen Workflow ist nur bedingt Rechnung getragen worden. Die Räume wirken insbesondere im UG verschachtelt und unpraktisch. Von der mit Abstand grössten Nutzfläche aller eingereichten Projekte können die Nutzer- und Nutzerinnen leider nicht spürbar profitieren. Einzig die in der alten Aula platzierten Werkräume erhalten dank grosszügiger Raumhöhe und blendfreier Nordbelichtung Ateliercharakter. Die besondere Aufmerksamkeit für diesen Aspekt der archivischen Tätigkeit wird geschätzt, bleibt aber eine Ausnahme. Das neue zentrale Treppenhaus ist klug platziert und erlaubt eine hindernisfreie und direkte Erschliessung aller Geschosse mit nur einer Liftanlage. Die Funktion als Fluchtweg und Schleuse zwischen allen drei Funktionsbereichen wirft sicherheitstechnische Fragen auf. Die Lage der neuen Fluchttreppe ermöglicht für den Publikums- als auch für den gesicherten Bereich mehrgeschossige Brandabschnitte. So sollen die Oberlichter zur Nachtauskühlung genutzt werden können. Für den Betrieb eines Archivs stellen die grossen Brandabschnitte jedoch ein unnötiges Risiko dar. Die Erschliessung des südlich gelegenen Magazins über das zentrale Treppenhaus ist effizient, verlangt jedoch eine Unterfangung. Die zweite Treppe dient der Entfluchtung und dem Zugriff durch die Feuerwehr. Beide müssen mit einer Spüllüftung ausgerüstet werden. Das Projekt Memory zielt auf eine gesamtheitlich verstandene Nachhaltigkeit. Es wird versucht die Eingriffe in die Primärstruktur des Bestands auf ein Minimum zu beschränken. Die zurückhaltenden, teilweise pragmatischen Eingriffe an der Gebäudehülle (Glasersatz) werden liebevoll an den Originalplänen illustriert und erläutert. Im Innenausbau wird auf punktuelle Bauteilwiederverwendung gesetzt. Auch im Bereich des Magazins sind die Verfasser bemüht, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Das Hauptaugenmerk liegt auf den vor- gespannten Rippendecken mit einem Flachdeckenäquivalent von 33cm. Im Grundriss sind zwei als Unterzüge konzipierte Hauptachsen mit kleiner Spannweite vorgesehen. Die Unterteilungen erfolgen mit nichttragenden Wänden aus ungebrannten Lehmsteinen. Es wird eine nach innen gespriesste Baugrube mit einhäuptig gegen den Molassefels betonierten Aussenwänden aus Recyclingbeton vorgeschlagen. So soll das Aushubvolumen reduziert und der Auftrieb durch aufgestautes Wasser in der Hinterfüllung vermieden werden.

Das Haustechnikkonzept setzt auf Anpassung und Ausbau der Bestands- anlagen. Für das Klima des Archivs werden die natürlichen Ressourcen und Umweltbedingungen genutzt, bspw. die Tiefe des Gebäudes berück- sichtigt. Die Rippendecke wirkt dank grosser Oberfläche als Temperatur- und die Lehmtrennwände als Feuchtepuffer. Mit einer minimalen Gebäudedämmung, thermischer Bauteilaktivierung und dem Zusammenspiel von Erdsonden-Wärmepumpe und Hybridkollektoren wird der Wärme- und Kühlbedarf optimiert. Bei der Gestaltung der Aussenräume kann das Projekt nicht überzeugen. Der breite, streng lineare Zugangsweg wirkt überdimensioniert. Der Zugang lädt kaum zum Verweilen ein, man wird auf direktem Weg zum Haupteingang geführt. Die daran anschliessende Grünanlage ist etwas spannungslos gestaltet. Zusammen mit dem Verzicht auf Baumpflanzungen wirkt der Vorbereich ausgeräumt und wenig einladend. Die Projektverfasserenden versuchen mit der Aufstockung der neuen Nutzung auf der repräsentativen und räumlichen Ebene gerecht zu werden und schiessen damit leider über das Ziel hinaus. Trotz grossem Interesse für den Bestand gelingt es ihnen nicht, ein stimmiges Ganzes zu schaffen. Weder die clevere Erschliessung noch die grossen Bemühungen für eine möglichst nachhaltige Konstruktion für Magazin und Bestand, wiegen die betrieblichen Mängel und die hohen Kosten auf. Das Beurteilungsgremium würdigt die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Bestand und schätzt die kritischen Hinweise in Bezug auf die Ökobilanzierung.