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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2014

Kunst am Bau | Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum der Universität Potsdam (IKMZ)

1. Preis

Preisgeld: 4.200 EUR

STUDIO GRÜNDER KIRFEL

Kunst

Erläuterungstext

Auszug aus dem Erläuterungsbericht

„Unser Vorschlag für eine künstlerische Bespielung des IKMZ sieht fünf künstlerische Eingriffe an unterschiedlichen Orten innerhalb des Gebäudes vor. Diese Eingriffe stehen sowohl inhaltlich als auch formal in Beziehung zueinander und spannen miteinander ein geheimnisvolles Netz durch das gesamte Gebäude.

Alle fünf Kunstwerke sind Inszenierungen einer skurrilen Zweitwelt; der Welt des SPIRITUS FAMILIARIS; des Hausgeistes des IKMZ. Jedes Kunstwerk zeigt einen Ort aus seinem Wohn- und Arbeitsumfeld. Der Geist selbst bleibt jedoch verborgen. Eine in den satinierten Granit der Fassade gemeißelte Inschrift erinnert an Klingelschild und Grabstein zugleich und weist bereits von außen auf die Existenz des Geistes hin. Aus der Decke des großen Lesesaals wächst sein Schlaf-, aus der rot lackierten Wand des nordöstlichen Treppenhauses sein Arbeitsplatz heraus. Im 1. OG des südwestlichen Treppenhauses findet sich bei näherem Hinsehen eine verschlossene Geheimtür und im künstlich beleuchteten, von nüchternen Sichtbetonwänden flankierten Freihandbereich im 3.OG., weist ein aus Beton gegossenes Bücherregal auf die Forschertätigkeit des Hausgeistes hin.

Die einzelnen Kunstwerke nehmen nicht nur Bezug zueinander, sondern sind auch eng verknüpft mit der Architektur des sie umgebenden Raumes. Die Architektur des IKMZ scheint die Kunst sogar nahezu zu gebären. Aus ihren glatten, großzügigen, teils farbig lackierten Oberflächen, wachsen die Kunstwerke in jeweils gleicher Materialität heraus. Wie ein Chamäleon passt sich jedes einzelne Werk dem Material und der Farbigkeit seiner Umgebung an.

Der SPIRITUS FAMILIARIS (Hausgeist) wurde erstmals von Johan Leonhard Frisch in seinem Wörterbuch 1741 beschrieben. Seither kamen und kommen Hausgeister in vielen Sagen und Mythen und im allgemeinen Volksglauben vor. In Schlössern, Burgen, aber auch alten Bibliotheken existieren Geschichten über Hausgeister. Zumeist sind es gute Wesen, mit denen man es sich aber auch verscherzen kann. Geschichten über Geister entstehen und leben vom Wiedererzählt werden und verändern sich mit der Zeit.

Die Erschaffung eines SPIRITUS FAMILIARIS für das IMKZ beseelt das Haus; verleiht dem jungen dynamischen Ort Tiefe und Charakter; macht ihn geheimnisvoll und verleiht den Nutzern Lust zum Forschen und Entdecken. Nicht jeder Besucher oder Forscher des IKMZ‘s wird gleich beim ersten Besuch allen fünf Kunstwerken begegnen und sie miteinander in Beziehung bringen.

Vielleicht begegnen ihm zunächst nur Schlafplatz und Geheimtür. Erst einige Wochen später benutzt er das rote Treppenhaus, wo ihm der Arbeitsplatz des SPIRITUS FAMILIARIS ins Auge springt. Jetzt beginnt er vielleicht zu suchen, fragt seine Kollegen, auf welche Spuren des Hausgeistes diese bereits gestoßen sind. Vielleicht berichtet ihm ein Kollege von dem Beton-Bücherregal im dritten Obergeschoss und ein anderer erzählt von der Entdeckung einer skurrilen Inschrift, die er neulich beim Rauchen machte. Der Eindruck einer vor Ort existierenden Forscherpersönlichkeit wächst mit der Zeit. Da die Nutzer des IMKZ’s sich nie sicher sein werden, auch wirklich alle Spuren des Geistes entdeckt zu haben, erscheint das Netz der künstlerischen Eingriffe noch dichter als es tatsächlich ist und das IMKZ bleibt für die Nutzer vertraut und geheimnisvoll zugleich. Es können sich Geschichten entwickeln (auf die wir als Künstler keinen Einfluss haben wollen und können), die weiter erzählt werden und sich von Erzählung zu Erzählung verändern.

„WO WISSEN WÄCHST...“
Eine gute Lern- und Forschungsumgebung zeichnet sich sowohl dadurch aus, dass sie professionell ausgestattet ist, als auch durch eine hohe Identifikation, persönliche Beziehung und Vertrautheit der Forscher mit dem Ort der Wissensgeneration. Das IKMZ erfüllt den ersten Aspekt bereits einwandfrei: Es ist ein hochleistungsfähiges, funktionales Bibliotheksgebäude. Es besitzt mit seinen Rückgabe-, Kassen und Selbstausleihautomaten etc. alle modernen Ausstattungsgegenstände die einen reibungslosen und professionellen Wissenserwerb möglich machen. Des weiteren ist es ein, von einem erfahrenen und fähigen Architekturbüro konzipierter Bau, welcher architektonische Qualitäten wie Materialität und Tageslichteintrag bewusst einzusetzen vermag. Wie in der Auslobung erwähnt, ist es ein junges, modernes und zukunftorientiertes Haus. Das IMKZ ist jedoch eines nicht: Es ist kein historischer Ort mit Geschichte, Geschichten, vergangenen Forschergrößen, Traditionen und Geheimnissen. Es zu diesem zu machen ist weder möglich, noch sollte es das Ziel sein. Trotzdem kann die Kunst hier einen Beitrag leisten, das hochfunktionale und elegante Gebäude um eine individuelle, leicht verschrobene, geheimnisvolle Aura zu ergänzen. Dies tut sie mit der Erschaffung eines selbst in der Forschung tätigen Hausgeistes (...).“

Beurteilung durch das Preisgericht

„Spiritus Familiaris“ beinhaltet 5 verschiedene skulpturale Elemente an unterschiedlichen Orten, die zuerst wie Einzelkunstwerke erscheinen, aber in ihrem Gesamtzusammenhang die „Inszenierungen einer skurrilen Zweitwelt, des Hausgeistes des IKMZ“ (Beschreibung des Künstlers) ergeben. Hierzu gehören eine Granittafel im Außenbereich des Südosteingangs mit Inschrift, ein Bücherregal aus Beton im Freihandbereich des 3. Obergeschosses, eine Geheimtür im südwestlichen Treppenhaus, ein Arbeitsplatz mit Schreibtisch im roten Treppenhaus sowie ein Bett an der Decke des Lesesaals.

Das Preisgericht würdigt den komplexen Ansatz der Arbeit, der das Gebäude mit einer leicht märchenhaften wie auch überraschenden Erzählung durchzieht. Die einzelnen Elemente dieser Arbeit können einerseits wie Einzelkunstwerke wahrgenommen werden und andererseits als narrativer Zusammenhang entdeckt werden. Die Arbeit nimmt sich insofern gegenüber der Architektur zurück, indem sie entweder an die jeweilige Position im Gebäude farblich angepasst ist oder weil sie erst beim zweiten oder dritten Blick wahrzunehmen ist. Alle Elemente werden an einer Stelle im Haus positioniert, an denen sie ihren Widersinn und Witz entfalten können: siehe ein Bett an der Decke des Lesesaals. Das Preisgericht würdigt den erzählerischen Charakter der Arbeit, der leicht und versponnen, aber auch ironisch anmutet. Die einzelnen Elemente sowie der Gesamtzusammenhang der Arbeit können immer wieder anders kombiniert und interpretiert werden. Die Arbeit wird immer rätselhaft bleiben, weil sie keine lineare und eindimensionale Erzählung bildet.

Das Preisgericht merkt an: Bei einer Umsetzung der Arbeit wäre die Ausführung des Bücherregals in Beton im Freihandbereich des 3. Obergeschosses hinsichtlich der Deckenlast zu überprüfen (ggf. Ausführung in Leichtbetonbauweise).