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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2015

Neubau Tramdepot und Wohnsiedlung DEPOT HARD

Berta

1. Rang / 1. Preis

Morger Partner Architekten AG

Architektur

Schönholzer + Stauffer Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Ulaga Partner AG

Bauingenieurwesen

Caretta+Weidmann Baumanagement AG

Projektsteuerung

Quantum Brandschutz

Brandschutzplanung

eicher+pauli

Energieplanung, TGA-Fachplanung

Erläuterungstext

Zürich-West befindet sich seit über 20 Jahren in einem eindrücklichen Transformationsprozess und mutiert von einem Industrie- und Gewerbegebiet zu einem attraktiv durchmischten urbanen Stadtteil. Gerade für die Entwicklung von Zürich-West gilt, dass das Vorhandene die Grundlage für das Neue bildet: Eine Form von Collage City. Die hohe städteräumliche Dichte erfolgt über innere horizontale Kompressionen mit markanten vertikalen Akzentuierungen. Das Areal Depot Hard markiert, am Escher-Wyss Platz bzw. am südlichen Limmatufer gelegen, den Auftakt zum Stadtquartier Zürich-West. Der Flussraum, die Hardbrücke, die unzähligen Verkehrsrampen, die Hochhäuser Swisscom-Tower und Escher Terrassen wie das seit 2006 unter Denkmalsschutz gestellte Tramdepot geben dem Ort eine eigene Prägung mit einer noch stark heterogenen Wirkung. Die beiden Hochhäuser sind weder Solitäre noch bilden sie einen Cluster. Der Entwurf für ein neues Tramdepot und eine Wohnsiedlung manifestiert neben dem Programmatischen auch eine dezidiert städteräumliche Klärung.
Die Entwurfsidee entwickelt aus den bruchstückartig vorhandenen Bestandsteilen ein neues städteräumliches Ganzes. Die beiden bestehenden Hochhäuser spannen durch zwei ergänzende gleichhohe Hochhäuser einen Raum auf, der die Eingangssituation ins Stadtquartier Zürich-West über die neue clusterartige Formation entschieden artikulieren kann. Über die alternierende Anordnung entsteht eine enge und ganz direkte Bezugnahme zueinander. Diese städteräumliche Disposition erlaubt einen viel moderateren Sockelbau als bei einer Überbauungskonzeption in Form eines einzigen Blockrands. Das neue Tramdepot muss nur um zwei zweigeschossige Randzeilen überbaut werden und kann über die Gebäudehöhe einen präzisen kontextuellen Bezug zu den denkmalgeschützten Wohnhäusern schaffen. Die architektonisch wertvollen Häuser werden nicht durch einen übermächtigen Block in ihrer Grösse, ihrer Bedeutung und ihrer Präsenz zerstört, sondern werden vielmehr eine wichtiger Teil des neuen Ensembles. Aus dem in den Stadtraum einmodellierten Sockel entfalten sich die beiden 16-geschossigen Wohnhochhäuser. Die Grundriss-Figur der beiden Randzeilenbauten entsteht einerseits durch die statische Grundlage des Tramdepots und andererseits durch eine genaue geometrische Anbindung an die Bestandsbauten. Dazwischen entsteht ein dynamischer Stadtraum als thematische Konturierung der Tramdepothalle. Die beiden Stirnseiten bleiben in der Mitte offen. Die Hofraumdimensionen wirken durch die niedrigen Randbauten und die beiden offenen Stirnmitten wohlproportioniert: Für die Bewohner eine urbane Oase inmitten der Stadt. Als Pendant zur Platzfläche im Osten macht die Konzeption des Entwurfs es möglich am Westende zwischen Tramdepot und dem Gebäude ZürichParis einen Platz zu ermöglichen, der eine grosszügige Öffnung zum Limmatraum anbietet.
Entgegen den Hinweisen im Raumprogramm sind wir durch unsere fundierten Recherchen zur Ansicht gelangt, dass sich trotz feuerpolizeilichen Auflagen der Bau von zwei Hochhäusern verbunden mit einem moderaten Sockelbau nicht nur städteräumlich aufdrängt sondern auch aus programmatischen und vor allem wirtschaftlichen Überlegungen lohnt. Der Foodprint von 607 m2 bzw. 537 m2 lässt in Verbindung mit einer Gebäudehöhe von 60 Metern ein Fluchttreppenhaus mit Schleuse und zwei Fahrstühlen (Feuerwehrlift, Personenlift) zu. Die effiziente Erschliessung und Organisation der Wohnungen (5- bzw. 6-Spänner) garantiert eine wirtschaftliche Lösung. Zudem ergänzt das Wohnen im Hochhaus das andersartige Wohnangebot im Sockelbau. Im Weiteren ermöglicht der städteräumliche Entwurf 20% mehr Wohnungen als im Programm vorgesehen. Statt 184 werden es 217 sein.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt «BERTA» schlägt vor, den Perimeter mit zwei versetzt angeordneten, unterschiedlich proportionierten, aber gleich hohen Hochhäusern zu betonen. Diese städtebauliche Massnahme versteht sich als räumliche Akzentuierung der Zugangssituation ins Stadtquartier Zürich-West durch eine Clusterbildung der beiden neuen Hochhäuser mit den beiden bestehenden Türmen der Nachbarschaft.

Die Konzentration der geforderten Nutzungen auf die Hochhäuser erlaubt es, den Bebauungsperimeter mit einer moderaten Randbebauung zu belegen, die über dem Tramdepot einen länglichen, zweigeschossig gefassten Hofraum schafft. Sowohl der niedrige Sockelbereich wie auch die beiden zwanziggeschossigen Türme binden sich dabei kontextuell überzeugend an den denkmalgeschützten Bestand, der damit Teil eines neuen Ensembles wird. Diese Lesart wird zu einer mehrdeutigen und vielschichtigen Gesamtform verdichtet, die in ihrer räumlichen Konsequenz unterschiedliche programmatische und typologische Möglichkeiten in sich trägt. Im Kontrast zum harten, stark determinierten Stadtboden versteht sich dabei der Hof als informeller Ort der Begegnung, der unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden und auf neue Bedürfnisse reagieren kann. In diesem Sinne kultiviert der Hof die Vorzüge des Halbprivaten: ein Ort mit hoher sozialer Kontrolle und gleichzeitig ein Versprechen an die Gemeinschaft. Zusätzlich bereichert eine Flussterrasse die aussenräumlichen Qualitäten des Projekts.

Ausgehend von der Massenverteilung werden für das Wohnen zwei unterschiedliche Wohnformen vorgeschlagen. Im Sockel findet – erschlossen über den gemeinsamen Hof und einen Arkadengang – vertikales Wohnen statt; hier entwickeln sich die grösseren Wohnungen zweigeschossig nach oben. Ebenfalls auf der Hofebene sind die Satellitenwohnungen und diverse kollektive Räume angeordnet. Die beiden Türme dagegen greifen bis auf das Erdgeschoss und haben nur eine untergeordnete Anbindung an das Hofniveau. In den Türmen befinden sich die kleineren als Fünf- oder Sechsbünder zentral erschlossenen Standardwohnungen. Die typologische Differenzierung der Wohnungen mit dem Hof als Zugangsraum ermöglicht ein Freispielen des Strassenniveaus mit wenigen Erschliessungskernen. Neben Betriebsräumen für die VBZ bereichern mehrgeschossige Gewerberäume sowie ein limmatseitiges Restaurant die Stadtebene.

Der selbstbewusste architektonische Ausdruck des Projekts wird über ein vorgefertigtes und tragendes Modulsystem aus Sichtbetonelementen bestimmt. Unterschiedliche Füllungen ermöglichen die nötigen Differenzierungen und schaffen eine feine horizontale Gliederung des urban wirkenden Baukörpers.

Das Projekt weist sehr hohe Qualitäten auf, dennoch müssen naturgemäss einige Punkte noch optimiert werden. So sind die strassenseitigen Wohnungen im Turm West bis ins 12. Obergeschoss lärmtechnisch zu überarbeiten. Zudem ist der Gebrauchswert der vorgeschlagenen Grundrisse (Erschliessung, Nutzungspotenzial Küche / Essbereich etc.) zu überprüfen. Die Position der Fluchttreppenhäuser für den Hofbereich ist noch nicht ideal; es ist wahrscheinlich ein zusätzliches Treppenhaus vorzusehen. Erdgeschossig bleibt im Westen ein wenig kontrollierter Raum übrig, der von der Einfahrtsrampe besetzt wird. Hier gilt es, das räumliche Potenzial in Verbindung zum Ampèresteg zu nutzen.

Mit dem Angebot von 217 Standardwohnungen gehört das Projekt «BERTA» zu den effizientesten und kompaktesten Vorschlägen, was sich in den positiven Werten der ökologischen Nachhaltigkeit deutlich zeigt. Überraschenderweise entpuppt sich der sonst eher als unökonomisch vermutete Hochhaustyp an diesem Ort und unter den gegebenen Rahmenbedingungen als plausibler und leistungsfähiger Beitrag. Die Frage, ob das zweigeschossige Wohnen als adäquates Wohnmodell für preisgünstiges Wohnen gelten kann, wurde kontrovers diskutiert. Im vorgeschlagenen Verhältnis zu den übrigen Typologien ist es jedoch eine interessante Möglichkeit, familiengerechtes Wohnen mitten in der Stadt anzubieten. Der Beitrag fasziniert durch seine analytisch und präzise entwickelte Gesamtfigur, die sich überzeugend in den städtischen Kontext einfügt und ein interessantes und identitätsstiftendes Wohnmodell verspricht.