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Award / Auszeichnung | 07/2016

Beispielhaftes Bauen: Landkreise Calw und Freudenstadt 2010-2016

Sanierung Hofgut und Leibgedinghaus aus dem 17.Jhrdt

DE-72290 Loßburg

Auszeichnung

Jarcke Architekten

Architektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Wohnungsbau

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2014
    Fertigstellung: 01/2016

Projektbeschreibung

Das alte Hofgebäude wurde im Jahre 2013 in einem sehr schlechten Zustand angetroffen. Das Gebäude war seit 1953 nicht mehr bewohnt. Die Viehhaltung wurde 1996 beendet und das Objekt nur noch als Lager und Werkstatt genutzt. Das Dach war undicht, der Schindelschirm war teilweise bereits abgefallen.
Das Fundament an der Ostseite war aufgrund von Staunässe rund 20 cm in den Boden abgesunken. Damit waren einige Tragwerksbalken gerissen und der First des großen Hauses in der Mitte des Gebäudes um 50 cm abgesunken. Es bestand akute Einsturzgefahr, die durch sofortigen Einbau von Stützbalken zunächst gebannt wurde. Ebenso drohte die gesamte südliche
Giebelseite aufgrund der fortgeschrittenen Verfaulung des darunter liegenden Holzwerkes einzustürzen. Auch hier wurden sofort Sicherungen durchgeführt.
An der Ostseite war ein kleines Milchhaus aus Beton direkt an das Sandsteinfundament angebaut. An der Westseite fanden sich Hühner- und Schweineställe, sowie Reste von Silobauten, die mit großen Schleppdächern auf dem bestehenden alten liegenden Dachstuhl befestigt waren. Alle Anbauten waren in einem sehr schlechten Zustand und ebenfalls einsturzgefährdet. Diese Anbauten konnten bald abgebrochen
werden, ohne den alten liegenden Dachstuhl zu schädigen. Auch im alten Stall im Erdgeschoß unter dem Wohnteil war leider viel Beton verbaut. Spätere eingefügte moderne Backsteine waren überall sichtbar. Alle Betonteile wurden vorsichtig rückgebaut und die Backsteine herausgebrochen und durch vorhandene
Sandsteine ersetzt. Die vorhandenen Vertäferungen von Decken und Wänden in den Wohnräumen waren teilweise abgefallen, nass und schimmelig, aber weitgehend vorhanden.
Hier zeigt sich der Vorteil, dass das Haus 60 Jahre nicht bewohnt war und damit auch nicht in die alte Substanz durch Bewohner im Rahmen von „Verschönerungen“ eingegriffen wurde. Die Täfer waren vorwiegend in Holzmaseriertechnik gefasst sowie teilweise bemalt. Ebenso waren verschiedene Farbfragmente an den Putzen und Balken noch sichtbar. Alle Täfer wurden ausgebaut, gereinigt, gesichert und mit Leinöl
behandelt wieder fachgerecht eingebaut. Die Farbfragmente wurden gesichert und gereinigt, aber nicht ergänzt oder überfasst. Sie sind jetzt wieder in alter Schönheit sichtbar. Im Flur der Wohnung wurden kobaltblaue Putze entdeckt, die ebenfalls jetzt nach der Restaurierung sichtbar sind. In der alten Schlafstube lag ein 500 Jahre alter Terrakottaboden, der restauriert und weitgehend wieder eingebaut wurde. Der Terrakottaboden ist identisch in Form und Muster, wie der in der Abtswohnung, vom Kloster Alpirsbach, heute Museum.
Nach Entfernen der neuzeitigen Türgewänder kamen sehr schöne alte Türfassungen in den bauzeitlichen Balken zum Vorschein. Die heutigen Vollholztüren sind genau in diese alten Fassungen eingebaut. Die Fenster waren in einem sehr schlechten Zustand. Die Fenster an der Ostseite der Wohnstube konnten wieder aufgearbeitet werden. Viele andere Fenster wurden nachgebaut.
Die Restaurierung wurde von den neuen Eigentümern unter folgenden Zielen durchgeführt: Das Hofgebäude soll als Treffpunkt für eine große Familie mit vielen Nichten und Neffen dienen sowie als Begegnungsstätte für Freunde und Bekannte. Stall und Heuboden dienen als Spielflächen und Matrazenlager.
Die Scheune mit dem großen Holzofen wird für Familienfeiern genutzt. Die vorhanden historische Raumaufteilung der Wohnung wurde weitgehend unverändert fortgeführt. Neue zeitgemäße Objekt, wie Heizkörper, Lichtschalter, Badeinrichtungen wurden mit großem Respekt für das Haus ausgewählt und passen sich zurückhaltend ein.
Alle Versorgungsleitungen wurden in den Boden unsichtbar verlegt. Dabei kam die, selbst für einen Vogtshof, sehr große Raumhöhe von 2,80 Meter zu gute. Zudem wurden alle Wände, Böden und Dächer mit Holzmaterialien umfassend gedämmt. Alle Farben im und am Haus basieren auf Leinöl mit historischen Pigmenten und wurden auf die vorhandenen Befunde abgestimmt. Ebenso wurden alle Steine mit historischem Kalkmörtel ausgefugt und bei Bedarf verputzt.
Mit dem ebenfalls sanierten Leibgedinghaus wird das Hofgebäude jetzt wieder von vielen Menschen mit Freude bewohnt und für schöne Familienfeiern und Freundestreffen genutzt. Das Leibgedinghaus ist in Anlehnung an das Hofgebäude mit ähnlichen Materialien und Farben ebenfalls auf einen neuzeitlichen Wohnstandard gebracht. Der Keller aus 1767 steht ebenfalls unter Denkmalschutz. Beim Rückbau von Teilen des mehrfach erweiterten Leibgedinghauses kam auch wieder der vermisste mittelalterliche Tiefbrunnen zum Vorschein, dessen Wasser überhaupt den Bau des Hofgebäudes damals ermöglichte. Die großen Hofflächen aus Sandsteinen wurden mit den Baumaßnahmen ausgebaut und gesichert. Jetzt bilden die Außenanlagen mit den großen alten Sandsteinen und dem sichtbaren Tiefbrunnen wieder den würdigen Rahmen für das gesamte Ensemble in 2016.