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Award / Auszeichnung | 04/2017

umsicht – regards – sguardi 2017

Wasserkraftwerk Hagneck

CH-2575 Hagneck, Seestrasse 20

Auszeichnung

Penzel Valier AG

Architektur, Bauingenieurwesen

Bielersee Kraftwerke AG

Bauherren

Raymond Vogel Landschaften AG

Landschaftsarchitektur

MRI Marcel Rieben Ingenieure AG

Bauingenieurwesen

CDS Bauingenieure AG

Bauingenieurwesen

Grünig&Partner AG

Bauingenieurwesen

GeoplanTeam AG

Landschafts- / Umweltplanung, Geologie, Vermessungswesen

Der Wasserwirt

Wasserbau

WFN - Wasser Fisch Natur AG

Wasserbau

Gartenmann Engineering AG

Bauphysik

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Technische Infrastruktur

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2011
    Fertigstellung: 01/2015

Projektbeschreibung

An der Mündung des Hagneckkanals in den Bielersee wurde im Oktober 2015 das neue Wasserkraftwerk Hagneck als Ersatz der 1899 erbauten Wehranlage eröffnet. Das Team, bestehend aus Architekt Christian Penzel, Bauingenieur Martin Valier und Landschaftsarchitekt Raymond Vogel konnte 2009 den Gestaltungswettbewerb für sich entscheiden. Dieser war als Auflage für den Ersatz des denkmalgeschützten Wehrs in der Auenlandschaft mit nationaler Bedeutung vorgeschrieben worden. Dabei definierten vorangegangene jahrelange Variantenstudien der Betreiber exakte Rahmenbedingungen. Diesen Parameter veränderte das interdisziplinäre Team, indem es die Wehrbrücke um rund drei Meter absenkte. Dadurch werden die einzelnen Bauteile freigestellt und eine Gliederung und Rhythmisierung des ursprünglich vorgesehenen wuchtigen Volumens erreicht. Die so artikulierten typologischen Grundelemente – Wehrbrücke, Maschinenhaus und Wehrpfeiler – gliedern sich harmonisch in die sensible Landschaft ein.

Durch das Absenken der Wehrbrücke wurde die horizontale Dominante zudem deutlich nach unten genommen und die Terrainanschlüsse an den beiden Ufern mit allen Böschungen und Stützmauern signifikant tiefer gehalten. Der öffentliche Weg führt in einer kontinuierlichen Bewegung von der Zufahrtstrasse über die neue Brücke und das Wehr hinunter zum umgebenden Kulturland. Durch die Wegführung wird die neue Wehranlage in ihrer Umgebung aus verschiedenen Winkeln inszeniert und in ihrem Zusammenhang erfahrbar.

Auch farblich ist das Bauwerk harmonisch in den Molassefels eingebettet, der beim Hagneckeinschnitt an die Oberfläche tritt. Ursprünglich war Beton mit Jurakalk vorgesehen. Um der Alkali-Aggregat-Reaktion vorzubeugen, musste jedoch ein spezieller Beton verwendet werden. Die gewünschte Färbung wurde deshalb mit einem Farbzuschlag erzielt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Ausgeschrieben als anonymer Projektwettbewerb mit Präqualifikation wurde vorerst von den Bestellern des Projekts, der Bielersee Kraftwerke AG (Gemeinschaftsunternehmen von BKW sowie Energie Service Biel) zunächst nur eine hochwertige Gestaltung der Gebäudehülle des neuen Kraftwerks verlangt. Zur Umsetzung ausgewählt wurde schliesslich ein Vorschlag, der einen weit umfassenderen Ansatz aufzeigte.

Die Herleitung des Entwurfs durch das junge Architekten- und Ingenieur-Team
erfolgte in Kenntnis renommierter alter Kraftwerke in verschiedenen europäischen
Ländern. Auch die Geschichte der ersten Juragewässerkorrektion, die der Nutzbarmachung der Böden des Seelandes diente, wurde aufgearbeitet. Das vorgeschlagene Konzept spiegelte eine eingehende Auseinandersetzung mit neusten
wasserbaulichen und landschaftsschützenden Entwicklungen sowie mit Fragen
der Limnologie und des Fischverhaltens.

Das Projekt bot eine vielversprechende Abwägung zwischen den in den Vorprojekten für das Werk durchlebten Konflikten mit Industriegeschichte, Denkmal- sowie Naturschutz und bot damit Lösungen für wesentliche Fragen, um das neue Werk optimal in die Landschaft von Bielersee und Jurafuss zu integrieren.

Basierend auf ihrem Vorschlag, der zugleich historischen, landschaftlichen,
ökologischen aber auch wasserwirtschaftlichen Anliegen Rechnung trug, gelang
es dem Projektteam, die Auftraggeber zu überzeugen, das Thema Wasserkraft in
dieser umwerfend schönen Erholungslandschaft anders als ursprünglich geplant zu inszenieren, die Wehrbrücke abzusenken und damit einen sanften sowie flachen Bau zu realisieren, der den Hagneck-Kanal mit der attraktiven Seelandschaft gekonnt verbindet.
Wie sich die neue Kraftwerksanlage nun beinahe skulptural in die Auenlandschaft nationalen Rangs einfügt, beeindruckt.

Im Verlaufe der Planungsphase wurden die Anforderungen bezüglich der Hochwasserquote erhöht, sodass das Wehr nun auch für die Bewältigung eines
Jahrtausendhochwassers ausgelegt ist. Die wegen dieses Hochwasserschutzes
nötigen Dämme und Erhöhungen wurden jedoch sanft und als Teil der zu renaturierenden Auenlandschaft erbaut. Die Wehrbrücke auf der gewählten Höhe ist einzigartig und ein Aussichtspunkt. Zudem wurde eine neue, renaturierte Fläche
zwischen Werk und See geschaffen, die für Pflanzen, Kleinlebewesen wie auch
Fische sehr attraktiv ist. Die Fischtreppe wurde klug angeordnet und mit zwei
Lockströmungen ergänzt, sodass kaum Fische den gefährlichen Weg durch die
grosse Turbine wählen.

Auch in wirtschaftlicher Hinsicht erweist sich die Arbeit als leistungsfähig.
Die Produktionskapazität des Werkes konnte massiv erhöht werden. Um die
Produktionsverluste des Kraftwerks möglichst gering zu halten, wurden zusätzlich
zwei kleine Dotierwasser-Kraftwerke eingebaut, die von der «Kostendeckenden
Einspeisevergütung» (KEV) profitieren können. Die Kilowattstunde Strom wird im
langjährigen Durchschnitt zu rund zehn Rappen hergestellt.

Das Projekt ist das gelungene Resultat eines langdauernden Aushandlungsprozesses zwischen Schutz- und Nutzinteressen. Dabei mussten verschiedenste
NGOs, nationale Kommissionen, kantonale Fachstellen aber auch die anderen
Nutzer von See, Ufer und Fluss einbezogen und zu einer Konsenslösung
gebracht werden. Schliesslich wurden rund zehn Prozent der Gesamtprojektkosten von
150 Mio. Franken für die Umsetzung der Belange des Natur- und Heimatschutzes
verwendet. Mit der umgesetzten Lösung können sich alle identifizieren. Das gilt
auch für die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission ENHK sowie
die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege EKD, die das ursprüngliche
Projekt verhinderten, da es einen Abriss von Wehr sowie Kraftwerk beinhaltete
und auch das Naturschutzinventar zu wenig berücksichtigte. Der Bereich am
Hagneckkanal mit dem erneuerten Kraftwerk wird auch von der Bevölkerung gut
angenommen und genutzt, ohne dass dabei Flora und Fauna der renaturierten
Auenlandschaft beeinträchtigt werden.

Die Arbeit begeistert zusätzlich durch vielfältige technische Innovationen, wie
beispielsweise der Fischabstieg, die energetische Nutzung der Dotierwässer, eine
Rechenreinigungsmaschine mit reduzierter Aufbauhöhe oder die spezielle Betonrezeptur mitsamt punktgenauer Farbgebung nach einer Auswahl aus 130 Mustern.

Die Erneuerung des Kraftwerks Hagneck ist insgesamt ein wegweisendes, auch energiepolitisch bedeutsames Beispiel für die in den nächsten Jahren mit dem Ablauf der Konzessionsdauer in grosser Zahl zu erwartenden Erneuerungen von Kraftwerken unter kluger Beachtung der Konflikte zwischen Schutz und Nutzen. Als Infrastrukturbau mit hohem baukulturellem Wert überzeugt er durch seine gestalterische und innovative
Verbindung von Industriegeschichte, modernster Kraftwerktechnik
und einer landschaftlich hervorragenden Einbettung. Mit der umsichtigen
Erneuerung bleibt das Kraftwerks Hagneck ein dauerhaft Identität
stiftender Kristallisationspunkt im Seeland!