Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im April auf einen historischen Tiefstand gesunken. Das meldete das Ifo-Institut am Freitag in seinem Quartalsbericht. Besonders düster blicken der Handel und der Dienstleistungsbereich in die Zukunft. „Die Stimmung unter den deutschen Unternehmen ist katastrophal“, sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Auch „Architekt*innen fürchten die Wucht von Covid-19“ titelten wir Ende vergangener Woche. Knapp 60 Prozent der 500 Teilnehmer einer competitionline-Umfrage zur Corona-Krise blickten mit gemischten Gefühlen in die Zukunft und erwarteten schmerzhafte Einschnitte. Sie bejahten aber auch, dass sie gut aufgestellt seien und eine baldige Erholung der Lage erwarteten.

Wir wollen uns im Folgenden auf das halb volle Glas konzentrieren. Denn es gibt Gründe, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken.

1. Die Lage ist weniger schlecht, als es die Schlagzeilen glauben machen

Auch wenn die Corona-Krise den langen deutschen Bauboom zu beenden scheint, wie Spiegel Online jüngst meldete: Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie erwartet für 2020 lediglich stagnierende Geschäfte. Die Erlöse der Branche dürften laut Verband das Niveau 2019 erreichen. Angesichts der zunehmenden Meldungen über Auftragsstornierungen, ausbleibende Ausschreibungen und Behinderung der Bautätigkeit wird ein Umsatzplus zunehmend unrealistisch“, sagt HDB-Hauptgeschäftsführer Dieter Babiel.

War 2019 für den Bau ein schlechtes Jahr? Nein: Für 2019 verzeichnete das Statistische Bundesamt ein Plus von 3,2 Prozent bei den Auftragseingängen gegenüber dem Vorjahr. Laut Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) ergab das einen Umsatz von 135 Milliarden Euro im Bauhauptgewerbe – 8,5 Milliarden mehr als im Jahr davor bei über die Jahre kontinuierlich steigenden Umsätzen. Zum Vergleich: 2015 lag der Umsatz noch bei gut 100 Milliarden Euro. Im Krisenjahr 2020 werden wir dem HDB zufolge also voraussichtlich immer noch 35 Milliarden Euro darüber liegen.

2. Die meisten Architektur- und Ingenieurbüros sind gut aufgestellt

Gegenüber vielen anderen Branchen ist die Stimmung der deutschen Architektur- und Ingenieurbüros zuversichtlich. Laut unserer Corona-Umfrage schätzen lediglich acht Prozent die Situation als sehr belastend ein und wissen nicht, „wie lange das noch gut geht“. Gut 27 Prozent blicken optimistisch in die Zukunft und erwarten keine ernsthaften Einbrüche, 60 Prozent – wie oben erwähnt – „eher gemischt“.

Besonders zuversichtlich sind die Landschaftsarchitekt*innen und zwar über alle Bürogrößen hinweg. Fast 72 Prozent von ihnen halten die staatlichen Maßnahmen für ausreichend – von allen fast 500 Umfrageteilnehmer*innen sahen das nur knapp 59 Prozent so.

Viele Büros verfügen über ein Polster bei der Auftragslage, damit können sie kurzfristige Einschnitte abpuffern. Wie in den Vorjahren sind auch 2019 die Ausschreibungen und die Aufträge für Planungsleistungen substanziell gestiegen. Laut der competitionline-Ausschreibungsstatistik lagen sie bei knapp 12.000 Ausschreibungen. Im Kalenderjahr 2018 waren es noch knapp 10.000.

Die hervorragende Auftragslage der vergangenen Jahre spiegelt sich in den Bilanzen vieler Architekturbüros wider. Das hat competitionline-Wirtschaftsredakteur Carlo Sporkmann im Rahmen einer Analyse der Finanzdaten von 100 Büros ermittelt. Lag das Verhältnis von Gesamt- zu Eigenkapital der untersuchten Büros 2013 noch bei durchschnittlich rund 27,3 Prozent, hat sich der Wert bis 2017 kontinuierlich auf 32,2 Prozent gesteigert. Das Eigenkapital dient als Reserve für unvorhergesehene Ausgaben. Zudem wirken sich gefestigte Eigenkapitalquoten positiv auf die Vergabe von Krediten aus. Das bedeutet: Viele Büros gehen finanziell gut aufgestelt in die gegenwärtige Krise.

 

Probleme bekommen derzeit vor allem all jene Büros, die von privaten Auftraggebern etwa im Einzelhandel, Tourismus, der Automobilindustrie oder exportorientierten Branchen abhängig sind. Hier erreichen uns in der Tat erschütternde Berichte von Zwangsurlaub, massiver Kurzarbeit und Kündigungen. In einer Umfrage der Bundesarchitektenkammer (siehe Infokasten) fielen etwa die Innenarchitekt*innen im Vergleich zu den anderen Planersparten durch eine deutlich pessimistischere Einschätzung ihrer Situation auf. Stabiler ist die Lage bei den Büros mit gemischten Portfolios. Dabei gilt: je höher der Anteil öffentlicher Auftraggeber, desto besser die Aussichten. Nicht zuletzt deswegen ist die Stimmung bei den Landschaftsarchitekten vergleichsweise gut.

3. Büros handeln besonnen und unternehmerisch

Obwohl bereits die Hälfte der Architektur- und Ingenieurbüros von abgesagten oder verschobenen Projekten berichten kann, reagieren die Unternehmen vergleichsweise besonnen und nehmen, wenn nötig, staatliche Hilfsmaßnahmen in Anspruch (51 Prozent). „Wir blicken realistisch auf unseren derzeitigen Auftragsbestand und sichern damit die nächsten drei Monate finanziell für unser Büro ab. Ein Blick in die Zukunft ist wie der Blick in die Glaskugel. Wir bewerben uns weiter bei VgV-Verfahren und halten den Kontakt zu unseren Auftraggebern“, schreibt ein*e Umfrageteilnehmer*in.

Was sich sonst noch tut

  • Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) hat seine Umsatzprognose für 2020 von Ende 2019 angesichts der aktuellen Entwicklungen korrigiert. Anstelle des prognostizierten Umsatzplus von nominal 5,5 Prozent für 2020 erwartet der HDB ein Nullwachstum bzw. Stagnation auf Vorjahresniveau. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) geht von einem deutlichen Nachfragerückgang im zweiten Halbjahr 2020 aus. Demnach werden dem Wirtschaftsbau wegen des Lockdown die Aufträge aus den bisherigen Säulen Handel, Hotellerie und der Industrie wegbrechen, die öffentliche Hand werde Infrastrukturinvestitionen hinauszögern. 
  • Im Ifo-Geschäftsklimaindex April stürzte der Bau ab. Das betrifft sowohl die aktuelle Lagebeurteilung als auch die Erwartungen für die kommenden drei Monate. Der Index sank von 5,0 im März auf -17,6. Mit diesem Wert steht der Bau verglichen mit den anderen betrachteten Wirtschaftszweigen verarbeitendes Gewerbe, Dienstleistungen und Handel allerdings noch gut da.
  • Zwei Drittel der Arbeitnehmer würden auch nach der Corona-Krise gern mehr Homeoffice als vor der Krise machen. Das hat das Bayerische Forschungsinstitut für Digitale Transformation (BITD) im Rahmen einer repräsentativen Umfrage erfahren. Der Umfrage zufolge sei die Großzahl der Arbeitgeber gut auf die Arbeit im Home Office vorbereitet gewesen. Sie zeigt auch, dass die Mehrheit der Befragten zufrieden mit der Heimarbeit sind.
  • Das Bundesinnenministerium (BMI) hat mit einem neuen Erlass die Wertgrenze zur Durchführung einer Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb erhöht. Für die Vergabe klassischer Liefer- und Dienstleistungen, deren geschätzter Auftragswert den EU-Schwellenwert (für oberste und obere Bundesbehörden i.d.R. 139.000 Euro) nicht erreicht, wird die für Bundesbauten geltende Wertgrenze von bisher 25.000 EUR auf 100.000 EUR erhöht. Die Erhöhung gilt mit sofortiger Wirkung für alle Planungs- und Bauprojekte des Bundes und ist befristet bis zum 15.10.2020.
  • Nach einer Umfrage des Verbands Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vtw) halten die meisten der vom 3. bis zum 9. April 2020 befragten 115 Unternehmen aus der Branche trotz der Corona-Krise an ihren Investitionsplänen für dieses Jahr fest, meldet die Immobilien Zeitung. Demnach ist die Quote derer, die in diesem Jahr noch mehr oder genauso viel wie im Vorjahr investieren wollen, seit einer Befragung der Mitgliedsunternehmen im Januar dieses Jahres von 85% auf 75% gesunken. 
  • Die Bauämter im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben treiben trotz der coronabedingten Einschränkungen die Vergabeverfahren weiter voran. Das hat Bayerns Baustaatssekretär Klaus Holetschek nach einem Gespräch mit den Behördenleitern der staatlichen Bauämter in Augsburg, Krumbach und Kempten versprochen. Neue Aufträge würden weiterhin ausgeschrieben, Rechnungen zügig bezahlt. Über die drei schwäbischen Bauämter investierte der Freistaat im vergangenen Jahr mehr als 350 Millionen Euro.
  • Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will für Büroarbeiter ein dauerhaftes Recht darauf schaffen, das klassische Office mit dem häuslichen Arbeitsplatz zu tauschen – auch nach der Corona-Zeit. „Ich arbeite an einem neuen Gesetz für ein Recht auf Homeoffice, das ich bis Herbst vorlegen werde. Jeder, der möchte und bei dem es der Arbeitsplatz zulässt, soll im Homeoffice arbeiten können – auch wenn die Corona-Pandemie wieder vorbei ist", sagte Arbeitsminister Heil in einem Interview mit der Bild am Sonntag.
  • Auch die Bundesarchitektenkammer hat eine Corona-Umfrage unter deutschen Architekt*innen gemacht. Sie bestätigt im Wesentlichen die Ergebnisse der competitionline-Umfrage, geht aber noch nuancierter auf die einzelnen Berufssparten ein.  
  • Relevant für die Pro-und-Contra-Homeoffice-Entscheidung: 43,5 % aller Corona-Infizierten sind asymptomatisch, weisen also keinerlei Symptome auf. Sie sind aber genauso ansteckend wie Infizierte mit Symptomen. Das berichtet der Virologe Christian Drosten im Corona-Update des NDR mit Blick auf zuverlässige Studien. Am ansteckendsten seien Drosten zufolge Infizierte einen Tag bevor die ersten Symptome auftauchen. Vier Tage nach Auftauchen der ersten Symptome lässt die Infektiosität stark nach, nach einer Woche sind Covid-19-Erkrankte nicht mehr ansteckend, selbst wenn sie noch Symptome haben.
  • Im After Corona Club des NDR erklärt der Architektur-Redakteur der FAZ Niklas Maak, wie Corona unsere Städte verändern wird. Dabei zieht er Parallelen zu vergangenen Epidemien und zieht Rückschlüsse daraus, welche Auswirkungen sie auf Stadtplanung gehabt haben.

Der Berliner Architekt Bernd Gössler hat für sich und seine 75 Mitarbeiter staatliche Hilfe beantragt – und diese auch unkompliziert bekommen. „Als die Situation kritischer wurde, haben sich uns viele Fragen gestellt: Werden die Rechnungen unserer Auftraggeber pünktlich weiterbezahlt? Was passiert, wenn unsere oder die Buchhaltung der Auftraggeber krankheitsbedingt ausfällt?“, berichtet der Partner von Gössler Kinz Kerber Schippmann Architekten. Damit sei Gössler an seine Hausbank herangetreten, „um Liquidität zu sichern und einen Hilfskredit zu bekommen“. Innerhalb von einer Woche war das Geld da, das er unter anderem in die technische Ausstattung seiner Mitarbeiter*innen investierte.

4. Konjunkturprogramme

„Wichtig ist, dass gerade die öffentliche Hand sich mutig und optimistisch zeigt und mittel- bis langfristig geplante Investitionen beibehält.“ Wie diese*r Teilnehmer*in äußerten sich viele Architekt*innen in unserer Umfrage. Die Regierung hat für Soforthilfen für kleine Betriebe und erleichterte Kredite für den Mittelstand einen billionenschweren Rahmen geschaffen. Auch die Regelungen in Sachen Kurzarbeitergeld wurden gerade nachgebessert – zum dritten Mal in diesem Jahr.

Bereits Ende März hatte Finanzminister Scholz auch Konjunkturprogramme in Aussicht gestellt. „Wenn das alles vorbei ist, brauchen wir als Land Kraft für konjunkturelle Impulse.“ Darin wird er mittlerweile von vielen Ministerpräsidenten wie etwa Bayerns Markus Söder oder Sachsens Michael Kretschmer unterstützt.

Gleichzeitig fordern der Deutsche Städte- und Gemeindebund, der Deutsche Städtetag und auch die Verbände der Bauindustrie einen milliardenschweren „Schutzschirm für Kommunen“, um die Haushaltslage öffentlicher Auftraggeber zu stützen. Während SPD und Grüne dafür sind, möchte die CDU die Steuerschätzung im Mai abwarten. Grundsätzlich aber gilt auch in der Union: „Die Kommunen brauchen Unterstützung durch Bund und Länder“, so der kommunalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian Haase, am Donnerstag im Rahmen einer Debatte zum Schutzschirm für Kommunen im Bundestag. Die Zeichen stehen also gut, dass die Auftragslage im Bereich öffentlicher Bau finanziell durch Bund und Länder abgesichert wird.

5. Wohnungsbau und Investitionsstau in die Infrastrukur

Und das ist auch dringend nötig, nicht nur für die unternehmerische Perspektive von Planungsbüros, sondern in erster Linie für das Funktionieren dieses Landes. Denn nach wie vor schieben wir einen Investitionsstau in einer Größenordnung von 138 Milliarden Euro im Bereich kommunale Infrastruktur vor uns her, wie der Deutsche Städte- und Gemeindeverband jüngst noch einmal gegenüber competitionline bestätigt hat. „Den möchten und müssen wir auch weiterhin abbauen“, sagt der Beigeordnete des DStGB für das Vergaberecht, Norbert Portz. Dazu gehöre es, Planungs- und Bauprojekte trotz Pandemie und Krise auf den Weg zu bringen und auszuschreiben. „Das wird ohne finanzielle Hilfen in vielen Fällen schwierig.“

Auch der Druck auf den Wohnungsmarkt hat sich durch das Virus nicht verändert. Vielmehr zeigten die Städte und Länder derzeit, dass sie in Notlagen finanzielle Mittel für die unterschiedlichsten Zwecke unkompliziert bereitstellen könnten, beobachtet die Münchner Architektin Felicia Specht, die seit drei Jahren mit ihrem vierköpfigen Büro FV2 Architektur am Markt ist. „Das sollte allen in der Branche Mut machen.“

Übrigens ist im Rahmen einer Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag gerade bekannt geworden, dass der weltweit größte Vermögensverwalter BlackRock vergleichsweise viel Geld in Deutsche Wohnungsgesellschaften angelegt hat, und zwar mehr als in andere deutsche Großunternehmen wie Daimler oder Deutsche Bank. Wenn das kein Zeichen ist.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viel Mut und Zuversicht – und natürlich auch weiterhin Achtsamkeit und Gesundheit!

Ihr competitionline-Team

Handlungsspielräume – eine Auswahl

Es gibt viele Ansätze, aus der Not eine Tugend zu machen. Wir haben in den letzten Tagen einige aufgeschnappt und für Sie zusammengestellt.

  • Innenarchitekten können die Krise nutzen und offensiv an potenzielle Kunden mit Pandemie-tauglichen Gestaltungskonzepten herantreten. Der Einzelhandel und die Gastronomie müssen ihre Flächen neu strukturieren, wollen sie die Kundschaft nicht durch lange Schlangen und Türsteher abschrecken. Unternehmen benötigen Bürokonzepte, die die Ansteckungsgefahr zwischen den Mitarbeiter*innen minimieren. An allen Ecken und Enden muss umgedacht – und das bedeutet umgeplant - werden, auch langfristig.
  • Planungsbüros, die zuversichtlich in die Zukunft blicken, können die Krise nutzen, um Fachkräfte zu rekrutieren. Oder auch nur, um sie kennen zu lernen und eine Anstellung in Aussicht zu stellen, wenn sie davon zum gegenwärtigen Zeitraum verständlicherweise absehen wollen. Fakt ist: Der Wettbewerb um die klugen Köpfe hat sich krisenbedingt entspannt. Jetzt ist der Zeitpunkt für Recruiter mit Perspektive.
  • Der Lockdown durchbricht eingefahrene Gewohnheiten. Das kann den Blick für betriebswirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten öffnen. Interessant im Sinne der Kostenreduktion können etwa die Erfahrungen mit Homeoffice, Videokonferenzen und digitalen Tools sein. Auch aus der Kooperation sowie der Kommunikation in Krisenzeiten mit Kund*innen, Partner*innen und Mitarbeiter*innen sowie der Mitarbeiter*innen untereinander kann man wichtige Rückschlüsse auf eine noch bessere zukünftige Arbeitsorganisation ziehen.
  • „Aufgrund der anhaltenden Ausgangsbeschränkung haben Architekturbüros derzeit Kapazitäten, an Wettbewerben teilzunehmen – besonders die Büros, deren laufende Projekte seitens der Bauherren pausiert wurden“, beobachtet Felicia Specht von FV2 Architektur. Laut unserer Corona-Umfrage verzichtet derzeit ein Drittel aller Architekturbüros auf die Bewerbung auf neue Wettbewerbe oder hat sogar bereits eine oder mehrere Teilnahmen zurückgezogen. Die gewünschten Teilnehmerzahlen seitens der Auftraggeber werden dadurch nicht geringer.