Die Mission von Elke Duda begann 2004: Damals gründete die Architektin mit Kolleg*innen n-ails – das Berliner Netzwerk für Architektinnen, Innenarchitektinnen, Ingenieurinnen, Landschaftsarchitektinnen und Stadtplanerinnen. n-ails vernetzt sich bundesweit und lädt zu Symposien ein. Auf das an Barack Obamas Wahlmotto angelehnte "Yes, we plan" folgen die Diskussionspanels "Heute schon eine Architektin gesehen?" und "Die Stadt. Die Frauen. Drei Thesen und ein Film".

Morgen (1. Juni) startet in der Hauptstadt das von n-ails mitgestaltete Festival "Women in Architecture". Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt Duda, wie die Veranstaltungen für mehr Chancengleichheit sorgen können.

competitionline: Frau Duda, ein Drittel der Architekt*innen sind Frauen – verglichen mit vielen anderen Wirtschaftsbereichen ist das ein hoher Wert. Beschreibt das den gegenwärtigen Stand der Branche?

Elke Duda: Der Wert, so wie Sie ihn lesen, gaukelt eine scheinbar heile Welt vor. Es ist zwar verglichen mit anderen Branchen ein hoher Wert, aber wenn man bedenkt, dass unsere Gesellschaft zur Hälfte aus Frauen besteht, ist “ein Drittel” doch ein bisschen wenig … Hinzu kommt, dass vor allem an den Hochschulen seit den 2000er Jahren immer mehr Frauen in die Planer*innenstudiengänge gehen. Aber sie gehen später der Bauwelt verloren: So ist der Frauenanteil in den ersten Berufsjahren in der Architektur immer noch bei fast 50 Prozent, später sind es dann nur noch die von Ihnen eben zitierten 30 bis 33 Prozent.

Woran liegt das?

Die Arbeitsbedingungen sind für Frauen nicht wirklich passend: zu wenig Flexibilität in der Arbeitszeit oder Akzeptanz in der Aufteilung der Elternzeit. Da kämpfen Architekturbüros eigentlich mit denselben Problemen wie alle anderen Unternehmen auch. Und das hat dann zur Folge, dass Frauen trotz nachweislicher Qualifikation selten Büroinhaberin oder in der Projektleitung sind.

Das zeigt sich auch in unserem diesjährigen Ranking: Ganz oben stehen ausschließlich von Männern geführte bzw. dominierte Büros. Liegt das “nur” am Hindernis Familienplanung?

Nein. Es ist definitiv auch im Charakter begründet. Es gibt noch zu wenige Frauen, die sich in die Selbstständigkeit trauen – tatsächlich sind es insgesamt nur etwas mehr als zehn Prozent. Selbstständig sein ist eben auch eine Typfrage. Es setzt Risikobereitschaft voraus. Beides sind Eigenschaften, die Frauen nicht unbedingt anerzogen oder zugetraut werden.

"Architekturbüros kämpfen mit denselben Problemen wie alle anderen Unternehmen auch. Und das hat dann zur Folge, dass Frauen trotz nachweislicher Qualifikation selten Büroinhaberin oder in der Projektleitung sind."
Elke Duda n-ails

Grundsätzlich müssen Frauen sich mehr trauen und Männer offener sein für eine diverse Arbeits- und Baukultur. Alle müssen helfen, die gesetzlich festgeschriebene Theorie der Chancengleichheit in die Praxis umzusetzen. Verantwortung für Familienarbeit, Chancengleichheit und Parität darf keine Frage der richtigen Lobby sein.

Als jemand, die die Branche genau beobachtet, muss ich aber auch sagen: Oft ist bei Büronamen nicht auf den ersten Blick zu erkennen, ob hier eine Frau oder ein Mann Chef ist. Es wäre aber hilfreich, wenn grundsätzlich immer alle Namen der Verfasser*innen und Mitarbeiter*innen aufgeführt würden. Dann könnte man es auswerten und die Entwicklung besser verfolgen.

Warum arbeiten so viele Frauen in Wettbewerbsabteilungen der Büros, kommen aber nicht nach ganz oben?

Das müssen Sie eigentlich die Büroinhaber*innen fragen ... Ich kann nur vermuten, dass hier die hochqualifizierten Frauen sich sehr engagieren, noch ungebunden sind und später dann bei dem Versuch, Familie und Beruf zu vereinbaren, an der Arbeits- und Bürokultur scheitern.

In der Wissenschaft gibt es das Modell des “Schweizer Käses”; dieses soll strukturelle Missstände und deren Folgen verdeutlichen. Jede Phase im Lebenslauf hat ihre Leerstellen, bei Männern und Frauen, nur dass es bei Frauen ein paar mehr sind. Wenn dann die Leerstellen auch noch direkt aufeinander folgen, geht es nicht weiter. Mut zur Lücke sollte auf beiden Seiten mehr Akzeptanz finden, viele Auswahlkriterien sind oftmals überholt und eher männlich geprägt.

Dann gibt es aber Betriebe wie das schwedische Planungsunternehmen Sweco, das dem Ganzen widerspricht und von Frauen dominiert wird. Warum schaffen die es? Was machen die anders?

In Schweden ist die Arbeits- und Bürokultur eine ganz andere: flexibler und familienfreundlicher. Heißt, Überstunden gehören anders als hierzulande nicht zum Alltag, Väter holen die Kinder vom Kindergarten oder bleiben zu Hause, wenn ihr Nachwuchs krank ist – im selben Umfang wie auch die Mütter.

Die Gleichberechtigung ist in Schweden auf einem ganz anderen Niveau: Gesellschaftlich ist die Akzeptanz der Verteilung der Familien-Care-Arbeit auf beiden Schultern viel größer und selbstverständlicher. Eine schwedische Architektin hat mir erzählt, dass sie, als sie nach Deutschland kam, zuerst gefragt wurde, ob sie denn keine Kinder haben wolle.

"Grundsätzlich müssen Frauen sich mehr trauen und Männer offener sein für eine diverse Arbeits- und Baukultur. Alle müssen helfen, Chancengleichheit in der Praxis umzusetzen."
Elke Duda n-ails

Insbesondere in der Bauwirtschaft herrscht extremer Druck bei den Arbeitsbedingungen: Permanente Verfügbarkeit und eine alles bestimmende Dienstleistungsmentalität prägt leider oft den Planungsprozess. Dabei ist Baukultur in meinem Verständnis nicht nur ein Prädikat für das Aussehen und die Materialqualität eines Gebäudes, sondern auch eine Frage, wie Entwurfs- und Arbeitsprozesse, das Büroklima oder die Kommunikationsformen gestaltet werden.

Gleichberechtigung heißt auch gleiche Bezahlung – laut einer BAK-Erhebung verdienen Frauen in der Architektur knapp 26 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Wie können wir das ändern?

Diese Zahl ist leider irreführend, da sie nicht die Art der Arbeit oder die Funktion im Büro berücksichtigt, was die BAK auch erläutert. Bei der Berücksichtigung unterschiedlicher Einflussfaktoren bleibt bei vergleichbarer Arbeit und Erfahrung sowie Bürogröße “nur” ein Gehaltsunterschied zwischen zwei und 13 Prozent.

Nichtsdestotrotz ändert es nichts an der Tatsache, dass wenige Frauen in leitender Funktion in den Büros zu finden sind. Die gläserne Decke gibt es noch, auch bei vielen öffentlichen Arbeitgeber*innen. Dort sind zwar dank einer starken Genderpolitik mehr Frauen tätig, aber in den oberen Reihen wird es auch dünn.

Wie kann das von Ihnen mitgestaltete Festival “Women in Architecture” hier helfen?

Es gibt noch zu wenige Frauen in der Architektur, ja, aber die wenigen werden auch zu selten gezeigt. Das Deutsche Architekturmuseum hatte 100 Werkausstellungen seit Gründung, davon waren lediglich vier über Frauen. Vier! Die Werke und Leistungen von Planerinnen sind viel zu unbekannt, sie müssen an die Oberfläche. Das wollen wir in erster Linie mit dem Festival “Role-Models” zeigen und die Diskussion zu den Themen Berufsbild und diverse Baukultur fördern.

Zum Festival

In 144 Einzelprojekten setzt sich das von n-ails und der Berliner Architektenkammer veranstaltete Festival "Women in Architecture" den ganzen Juni lang mit den in der Architekturbranche häufig unterrepräsentierten Frauen auseinander. Im Fokus stehen die drei Themenfelder „Baustelle Gleichstellung“, „Paritätische Baukultur“ und „Umbau Berufsbild". Geplant sind über 60 Veranstaltungen – Ausstellungen, Filmreihen, Führungen, Symposien, Vorträge sowie Workshops.

Darunter: “Die Stadt und ihre Planerinnen”, “QUEENS OF STRUCTURE” und “[FRAU] ARCHITEKT*IN” an der TU Berlin und im BHROX bauhaus reuse Pavillon. Die aquabitArt Gallery zeigt eine Fotoausstellung mit Portraitfotografien von vier Architektinnen. Parallel laufen Diskussionen mit Planerinnen und Journalistinnen in der Architektur im feldfünf/Metropolenhaus, im DAZ sowie im Mies van der Rohe Haus, Stadtführungen, die Projekte von Landschaftsarchitektinnen vorstellen und ein feministischer Audiowalk von fem_arc. Ein Höhepunkt soll "WIA Europe" am 12. Juni sein, bei dem ein internationales Publikum zu Vorträgen und Diskussionen in Berlin erwartet wird.

Die vielen WIA-Akteur*innen tragen die Themen in die Breite. Als die Idee zu dem Festival entstand, waren wir gerade mal zu zweit – n-ails und die Berliner Architektenkammer. Unser Ziel war es, weitere Institutionen auf die Baustelle zu holen. Was auch super geklappt hat. Die positive Resonanz und hohe Beteiligung bestätigen unser Anliegen. Und dass so viele mitmachen, liegt auch daran, dass mittlerweile mehr Frauen in den Verbänden aktiv und im Vorstand sind.

Aber es hört nicht nach dem Festival auf: An Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen gleichermaßen teilzuhaben, in der Planung und Nutzung der gebauten Umwelt, ermöglicht erst eine Stadt und Architektur für alle und nicht nur für Wenige. Ein Ansatz wäre mehr Wettbewerbe mit chancengleichen Teilnahmebedingungen verbindlich zu machen, da sie neuen Ansätzen und Perspektiven eine Chance geben. Letztendlich muss sich das Berufsbild ändern, diverser werden. Dass sich der BDA Hamburg, gefolgt vom gesamtdeutschen BDA und BDA Berlin dieses Jahr umbenannt hat, jetzt neben Architekten auch Architektinnen direkt anspricht und erstmals seit Gründung eine Präsidentin hat, ist ein super Signal, zeigt aber auch, wo wir erst stehen.

Geht die nächste Wegstrecke, die nach dem Sichtbarmachen kommt, vielleicht nicht ohne eine gesetzliche Frauenquote?

Vielleicht. Die Quote ist bestenfalls aber nur Mittel zum Zweck, da es ja freiwillig offenbar nicht geht bzw. nur sehr schleppend oder mit Druck vorangeht. Nur die Diskussion darüber zeigt doch auch, dass das Thema Chancengleichheit politisch längst auf der Agenda ist. Aber das Anliegen muss auch gelebt werden. Es braucht die echte Bereitschaft, Frauen mehr zu respektieren und Macht abzugeben. Wir Frauen haben schon viel erreicht im Vergleich zu früher, als Frauen nicht wählen durften, für eine Berufsausübung um Erlaubnis fragen mussten, es noch keine Kanzlerin oder Bundesarchitektenkammerpräsidentin gab ... Der allgemeine theoretische Konsens spiegelt sich zwar in der Gesetzeslage, ist aber in der tatsächlichen Umsetzung leider noch sehr mangelhaft.

Frau Duda, vielen Dank für den Einblick.

Wie gleichberechtigt geht es in Deutschlands Archiktekturbüros zu? Schreiben Sie uns.

 

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