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5. Rang 6 / 6

Offener Wettbewerb | 04/2021

Neue Dreifachturnhalle mit Schulräumen im Chilefeld in Dagmersellen (CH)

6. Rang / 4. Preis

Pascal Wassmann Architekten GmbH

Architektur

Timbatec Holzbauingenieure

Bauingenieurwesen

antón landschaft GmbH

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Papillon nennt sich das Projekt, das mit dem kleinsten oberirdischen Volumen alle neuen Nutzungen unter einem Dach vereint. Der Vorteil dieser Disposition ist ortsbaulich überzeugend, denn es bleiben grosse Freiflächen für die Organisation der Aussenräume. Der Neubau wird so an die Hangkante gesetzt, dass seine breite Hauptfront dem Schulhausplatz ein neues Gesicht bietet und von hier zweigeschossig erscheint, während das Volumen hangseitig nur eingeschossig wirkt. Vom Platz her erhält man Einblicke in die Turnhallen. Seitliche Treppenanlagen holen die Besucher auf dem Schulplatz ab und führen sie eine Etage höher zu den hangseitigen Zugängen. Die Hauptzugänge zum Gebäude liegen praktisch und in direktem Bezug zur bestehenden Schulanlage sowie zu den bestehenden Aussensportanlagen. Gerade weil sich der Baukörper so flach in die Topografie setzt und sich als Teil der bestehenden Aussenräume verstehen will – so die Verfassenden - bleibt die Frage nach dem Umgang mit den Dachflächen unbeantwortet. Die vorgeschlagenen Oblichter und die extensive Begrünung leisten wenig Beitrag zur Gesamtgestaltung der Aussenflächen. Der kompakte, flache Gebäudekörper ergänzt das bestehende Schulensemble. Weniger als starke Platzkante, sondern eher als Teil der Hangkante gedacht, vermittelt der Bau zwischen Spielwiese und Pausenplatz. Der Neubau öffnet sich mit einer durchgehenden Glasfront auf den grossen Pausenplatz. Dieser bleibt ausser den bestehenden Gehölzinseln frei und damit breit nutzbar. Allerdings dürften sich im Sommer Platz und Glasfassade stark aufheizen, sodass ergänzende Baumpflanzungen vor dem Gebäude prüfenswert wären. Zur Arche und Kirche wird ein im regelmässigen Raster gesetztes Baumdach vorgeschlagen, in dessen Schatten Aufenthalts- und Spielmöglichkeiten angeordnet sind. Damit wird gleichzeitig eine vermittelnde Geste mit attraktiven Aufenthaltsmöglichkeiten geschaffen und eine wohltuende Distanz zu den kirchlichen Bauten gewahrt. Die bestehende Zivilschutzanlage wird gleichsam in die Topografie der Hangkante zur Spielwiese integriert. Mit einer behutsamen Terrassierung entstehen auf beiden Seiten des Neubaus weitere, von der grossen Pausenfläche abgehobene Aufenthaltsflächen, wo sich auch das neue Tiergehege befindet. Der Turnhallenbau bildet den Sockel für die darüber liegenden Schulräume, welche eingeschossig angeordnet sind. Die Aufenthaltsräume für die Betreuung sind talseitig zum Platz hin aufgereiht, die Lehrerräume liegen in Richtung bestehendem Schulhaus, während der Hauswart seine Räume Richtung Arche erhält. Die Schüler-Werkräume sind so platziert, dass sie nur über Oblichter mit Tageslicht versorgt werden und keinen direkten Fassadenanschluss erhalten. Das direkte Nebeneinander der verschieden lärmintensiven Nutzungen wirft Fragen auf für den Schulbetrieb. Werkstätten neben Lehrerbereichen sind akustisch anspruchsvoll. Das vorgeschlagene durchlaufende Holztragwerk verschärft dieses Problem zusätzlich.
Die Turnhalle bildet den Sockel für das Schulgeschoss, auf dem ein «Holzdach» über der gläsernen Fassade schwebt. Dieser architektonische Ausdruck zeugt von einer starken konzeptionellen Idee und verleiht dem öffentlichen Bau einen eigenständigen Charakter. Ein weiteres prägendes Merkmal sind die Fluchttreppen und der zugehörige Fluchtbalkon. Das Potential, diesen Bereich als Terrasse zu nutzen, wird nicht weiterverfolgt. Die minimalistische Erschliessung der Turnhalle mit dem schmalen Korridor auf dem Garderobengeschoss ist der angestrebten Kompaktheit des Volumens geschuldet und wirft die Frage auf, ob dadurch die Funktionalität noch gewährleistet ist. Dies zeigt sich auch auf dem Hallengeschoss, wo die Treppenkerne und Hallenzugänge den Geräteraum einschnüren, was noch optimiert werden müsste. Die Tatsache, dass das Gebäude minimal in Erscheinung tritt, wird mit dem Versenken der Sporthalle erkauft. Insgesamt wird die Turnhalle etwa um 9m «verlocht». Ob sich dies wirtschaftlich und ökologisch rechtfertigen lässt, muss gegen die ortsbaulichen, architektonischen und funktionalen Qualitäten abgewogen werden. Die Dachkonstruktion überspannt als Zweifeldträger den gesamten Bereich über der Sporthalle stützenfrei. Die Geschossdecke über der Halle ist als Holzkonstruktion, bestehend aus Brettschichtholzträgern und einer Sekundärkonstruktion aus Brettsperrholzplatten vorgesehen. Es wird suggeriert, dass dank einer Überhöhung der Träger ein sehr wirtschaftliches System entsteht. Selbst wenn die Brettsperrholzplatten im statischen Verbund mit den Brettschichtholzträgern ausgeführt würden, wären die Verformungen und das Schwingungsverhalten der Konstruktion aber unzureichend. Zudem ergäbe sich beim Übergang zwischen den vertikal starren Aussenwänden an den Stirnseiten der Halle und den danebenliegenden Trägern kaum zu lösende konstruktive Probleme. Aufgrund der unvermeidbaren vertikalen Verformungen der Träger in der Grössenordnung von mehreren Zentimetern (infolge Kriechen und veränderlichen Verformungen), die sehr nahe bei den vertikal starren Aussenwänden liegen, ergäbe sich ein starkes Verkippen der Geschossdecke. Ebenso würden die unterschiedlichen Verformungen der weitgespannten Dach- und Deckenkonstruktion über der Halle aufwändige Anschlüsse der Innenwände bedingen, die auch betreffend Schallschutz problematisch wären. Insgesamt muss dieser Konstruktionsvorschlag als nicht realisierbar bewertet werden. Die vorgesehene Nutzung über der Halle könnte konstruktiv entweder mit einer vorgespannten Stahlbetonrippendecke oder aber mit raumhohen Fachwerken im Obergeschoss realisiert werden. Fluchtwegdistanzen, Anzahl vertikaler Fluchtwege und Fluchtweggrössen sind eingehalten. Im Eingangsgeschoss sind die Treppenhäuser als Brandabschnitt bis ins Freie weiterzuführen.
Die Kompaktheit des Entwurfs überzeugt ortsbaulich. Auch die architektonische Ausformulierung mit dem eigenständigen Ausdruck und dem schwebenden Dach schafft für den Ort eine ansprechende Identität. Die starke Idee bringt jedoch funktionale Nachteile mit sich, die in der Gesamtabwägung leider überwiegen. Die Frage der Verhältnismässigkeit für den sehr grossen Aushub bleibt im Raum, zumal der Hauptvorteil, die Schaffung eines flachen Gebäudes, nicht ausgeschöpft wird. Für die Dachgestaltung wird lediglich eine uninspirierte, extensive Fläche angepriesen, welche von weit herum einsehbar ist. Auch mit Photovoltaik ausgestattet, würde das Dach nicht an Gestaltungsqualitäten gewinnen. Eine Überarbeitung müsste letztendlich grundlegend erfolgen, wäre aber nicht unmöglich, weil das Projekt einen klaren starken Entwurfsansatz verfolgt.
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