Award / Auszeichnung | 04/2022
Otto-Borst-Preis 2022
©Nikolai Benner
Hafenumfeld Bad Karlshafen
Sonderpreis / Kategorie "Freiraumgestaltung"
GTL Landschaftsarchitektur Triebswetter, Mauer, Bruns Partner mbB
Landschaftsarchitektur
Bauingenieurwesen
Lichtplanung
Projektdaten
-
Gebäudetyp:
Landschaft und Freiraum
-
Projektgröße:
keine Angabe
-
Status:
Realisiert
-
Termine:
Baubeginn: 03/2020
Fertigstellung: 12/2021
Projektbeschreibung
Beurteilung durch das Preisgericht
Bad Karlshafen gehört zu den wenigen nachmittelalterlichen, barocken Planstädten in Deutschland, und wurde 1699 durch den Landgrafen von Hessen für hugenottische Glaubensflüchtlinge symmetrisch um ein Hafenbecken als Mittelpunkt angelegt. Mit diesem Wasserbecken im Zentrum als zentraler öffentlicher Raum, der von einer Weserschleife unmittelbar nebenan den Zufluss erhält, steht die Stadt einzig da. Sie ist auch die einzige barocke Planstadt, die nicht explizit als Residenz- sondern als Wirtschafts- und Bürgerstadt angelegt wurde: In zentraler Randlage des Wasserplatzes befindet sich als städtebauliche Dominante das ehemalige Packhaus in Form des Corps de Logis eines Barockschlosses, heute das Rathaus der Stadt. Mit der Anlage der Stadt untrennbar verbunden war ein pharaonisches Raumplanungs- und merkantilistisches Wirtschaftsprojekt zur Anlage eines Kanals bis zur Lahn und in Richtung Rhein (Landgraf-Carl-Kanal), um den Weserzoll im landesfremden Hannoversch Münden zu umschiffen, wo die Weser eine Schleife außerhalb des Herrschaftsgebiets der Grafschaft zieht. Das zur Weser schleusenregulierte Hafenbecken und die Stadt sollten als Lade- und Umschlagplatz den Warentransport über den neuen Kanal ein- bzw. ausleiten. Die barocke Stadt wurde in drei Ausbauphasen bis Mitte des 19. Jahrhunderts weitgehend wie geplant errichtet, der Kanalbau kam nach drei Jahrzehnten und rund 20 km komplett fertiggestellter Infrastruktur zum Erliegen.
Seit den 1930er Jahren war das Hafenbecken allerdings von der Weserzufahrt abgetrennt. Durch Bevölkerungsund Gästerückgänge kam es zu Leerständen und einer Abwertung dieses Bereiches. Auslöser der umfassenden Erneuerung war die dringend sanierungsbedürftige Hafenmauer. Daher hat die Stadt ein städtebauliches Gesamtkonzept erstellt, um durch eine Wiederanbindung des Hafens an die Weser, die denkmalgerechte Neugestaltung des gesamten Hafenumfeldes und Revitalisierungsmaßnahmen in der Barockstadt den denkmalgeschützten Stadtkern aufzuwerten. Die Schleusenbaumaßnahme wurde als „Nationales Projekt des Städtebaus“ durch Bund und Land hoch gefördert, die Hafenmauer durch das Land Hessen saniert und für das Flächendenkmal eine Fördermöglichkeit im Rahmen des Sanierungsprogramms „Städtebaulicher Denkmalschutz – Lebendige Zentren“ geschaffen. Der Hafen wurde mit einem gut eingefügten neuen Schleusenbauwerk zu einer Weser-Marina aktiviert, die auch auf dem Wasser mit Pontons Veranstaltungen ermöglicht. Der gesamte öffentliche Uferbereich und die anschließenden Straßen wurden sehr sensibel und materialgerecht wesersandsteinrot in Rot saniert und umgebaut, viele Häuser instandgesetzt.
Die Disposition der barocken Anlage – mit ihren roten Stadtböden zu den pastellweißen Gebäuden ringsum den Wasserspiegel, in der Talschleife der Weser vor grünen Hängen – hat an sich schon etwas Phantastisches. Heute würde man sagen: instagrammables… So ließ sich die Kritik an dieser Maßnahme (hohe Kosten, Fällung der alten Bäume, technisch anmutendes Schleusenbauwerk) aushalten. Auch gab es Probleme mit einer Veralgung des Beckens. Dennoch ist es der Stadt gelungen, mit diesem städtebaulichen – in den Einzelbereichen sich ergänzenden Maßnahmen – einen traumhaften Ort wiederzuerwecken, eine sehr hohe Aufenthaltsqualität im Bereich des Hafenbeckens zu schaffen und die Attraktivität der Innenstadt und für den Fremdenverkehr (Bootsanleger, Flanierzonen, Marina usw.) zu steigern. Die Anstrengungen, die eine Stadt mit 4.000 Einwohnern dazu unternommen hat, zeugen von bemerkenswerter Verantwortung der Stadtpolitik. Insofern handelt es sich um einen außerordentlichen Beitrag zum Erhalt und zur Fortschreibung einer ungewöhnlichen Stadtpersönlichkeit, der eine positive Würdigung verdient hat.
©Nikolai Benner
©Nikolai Benner
©Nikolai Benner
©Nikolai Benner
©GTL
Lageplan
©Nikolai Benner
©Nikolai Benner
©Nikolai Benner
©Nikolai Benner
©Nikolai Benner
©Nikolai Benner
©GTL
©GTL
©GTL
©GTL