Im Rahmen des "Model. Barcelona Architektur Festivals" fand im Mai die Preisverleihung des Mies van der Rohe Awards 2022 in Barcelona statt. Unter den Finalisten war auch ein Berliner Projekt: das bereits mehrfach ausgezeichnete Kultur- und Kreativhaus Frizz23, in dem auch competitionline seinen Sitz hat.  

Das Frizz23 (siehe Infokasten) wurde im Jahr 2018 fertiggestellt und beherbergt – neben einem zehnprozentigen Wohnungsanteil, Gastronomie und Bildung – über dreißig kleine Unternehmen aus der Kreativwirtschaft. Es ist somit die erste gewerbliche Baugruppe Deutschlands.

Mies van der Rohe-Trophäe für das Frizz23

Mies van der Rohe-Trophäe für das Frizz23

Deutschlands erste gewerbliche Baugruppe

Das Areal um den ehemaligen Blumengroßmarkt in der südlichen Berliner Friedrichstadt galt lange als Problemquartier. Nach der Wende siedelten sich hier Einzelhandel, temporäre Nutzungen, Galerien und soziale Initiativen an, das Areal blieb jedoch ein Stiefkind städtebaulicher Entwicklung. Das änderte sich 2014 mit dem Standortentwicklungskonzept „Kunst- und Kreativquartier Südliche Friedrichstadt“, ein Meilenstein der Berliner Liegenschaftspolitik. Anstatt die Filetgrundstücke im Herzen der Hauptstadt an meistbietende Investoren zu vergeben, entschied sich das Land Berlin auf Druck des Bezirks sowie engagierter Akteur*innen aus Architektur und Stadtplanung, drei von sechs Baufeldern mittels Konzeptvergabe zu veräußern. 

Für das Grundstück am Besselpark erhielt die erste gewerbliche Baugruppe Deutschlands, die Frizz Gbr, gemeinsam mit Deadline Architekten und Forum Berufsbildung den Zuschlag. Ihre Idee: den Verdrängungsprozess von Kultur- und Kreativschaffenden aus der Innenstadt zu stoppen und durch die Ansiedlung von Kreativgewerbe, Bildung und temporärem Wohnen wichtige Impulse zur Entwicklung des Quartiers beizusteuern. 

Blick auf Frizz23 von Deadline Architekten, das neue taz-Verlagsgebäude von E2A Architekten sowie die am südlichen Ende der Friedrichstraße gelegenen Wohntürme rund um das Hallesche Tor

Blick auf Frizz23 von Deadline Architekten, das neue taz-Verlagsgebäude von E2A Architekten sowie die am südlichen Ende der Friedrichstraße gelegenen Wohntürme rund um das Hallesche Tor

Angelika Fittkau-Blank, Britta Jürgens, Matthew Griffin und Nicolai Blank (v.l.n.r.) mit der Mies-van-der-Rohe-Trophäe vor den Frizz23

Angelika Fittkau-Blank, Britta Jürgens, Matthew Griffin und Nicolai Blank (v.l.n.r.) mit der Mies-van-der-Rohe-Trophäe vor den Frizz23

Auch competitionline schloss sich der Baugruppe an. Der bisherige Standort in unmittelbarer Nähe war für den wachsenden Verlag nicht mehr zukunftssicher, die Büromieten kaum leistbar und der Gewerbemietvertrag ohne jeglichen Kündigungsschutz. Andere Fachverlage mussten bereits aus dem Berliner Zeitungsviertel in die Außenbezirke abwandern. 

Für einen IT-getriebenen Digitalverlag wie competitionline war das keine Option. “Wir stehen in direktem Wettbewerb mit Google, Zalando, Axel Springer und Co. um die besten Köpfe”, sagt competitionline-Gründerin Angelika Fittkau-Blank im Interview. “Ein attraktiver Standort ist angesichts des Fachkräftemangels für uns und unsere Mitglieder geschäftsentscheidend. Nun haben wir eigene Räume an der Schnittstelle vom kreativen, rebellischen Kreuzberg zum gewichtigen Regierungsviertel. Zeitungsviertel meets Politik und Wirtschaft sozusagen.”

Angelika Fittkau-Blank, Gründerin von competitionline, trat mit ihrem Unternehmen der ersten gewerblichen Baugruppe Deutschlands bei.

Angelika Fittkau-Blank, Gründerin von competitionline, trat mit ihrem Unternehmen der ersten gewerblichen Baugruppe Deutschlands bei.

“Unsere gewerbliche Baugruppe ist in Deutschland einzigartig, und wir wünschen uns sehr, dass es Beispielcharakter hat”, bestätigt auch competitionlines neuer Co-Geschäftsführer Dirk Bonnkirch. “Umso mehr freuen wir uns, dass nach den Juroren des Deutschen Städtebaupreises nun auch die Jury des Mies van der Rohe Awards den städtebaulichen und stadtentwicklungspolitischen Wert unseres Gemeinschaftsprojekts erkannt und prämiert hat.”

“Für uns ist ein attraktiver Standort geschäftsentscheidend”

Das Frizz23 befindet sich im Zeitungsviertel. “Dieses Viertel lebt und vibriert und macht kreativ”, meint Fittkau-Blank. Auf dem Nachbargrundstück hat ebenfalls 2018 die Berliner Tageszeitung (taz) ihre neue Zentrale eröffnet, auch der neue Axel Springer Medien Campus, der Springer Wissenschaftsverlag, der Verband Deutscher Zeitschriftenverlage oder der Start-up-Inkubator Rocket Internet sind in Sichtweite. In der Umgebung gibt es zahlreiche Galerien und Restaurants. “Das ist das Umfeld, in dem wir arbeiten wollen. Wir müssen für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen attraktiv bleiben. Und das geht nur, wenn wir in einem attraktiven Umfeld und so zentral wie möglich sind”, so Fittkau-Blank.

Bei competitionline: Der 'rosa Salon' dient als Ort der Inspiration und des Rückzugs.

Bei competitionline: Der 'rosa Salon' dient als Ort der Inspiration und des Rückzugs.

Das Forum in den Räumen von competitionline verbindet gemeinschaftliche Begegnungsflächen mit ruhigen Arbeitsbereichen.

Das Forum in den Räumen von competitionline verbindet gemeinschaftliche Begegnungsflächen mit ruhigen Arbeitsbereichen.

Als Finalist für den Mies van der Rohe Award kann sich das Frizz23 zum dritten Mal über eine Auszeichnung freuen. Im Jahr 2020 hatte das Projekt den Deutschen Städtebaupreis erhalten (und schaffte es außerdem auf die Shortlist des DAM Preises für Architektur in Deutschland). 2021 wurde das Frizz23 mit dem Berlin Award in der Kategorie “Moderationsprozesse” geehrt.

Der Mies van der Rohe Award – der Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur – wird alle zwei Jahre für Werke verliehen, die innerhalb der vorangegangenen zwei Jahre fertiggestellt wurden. Mit dem Preis sollen herausragende Projekte im europäischen Raum gewürdigt werden: Schwerpunkte lagen diesmal auf sozialer Integration, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sowie ästhetischer Konzeption.

Die insgesamt 40 Werke, die für die diesjährige Ausgabe der EUmies Awards ausgewählt wurden, sind nun gemeinsam mit einer Zusammenfassung der 532 nominierten Werke in einer Wanderausstellung zu sehen, die am 10. Juni in Köln eröffnet wurde. Die Ausstellung kann noch bis zum 13. Juli besichtigt werden.

Ausstellung:

LVR-Landeshaus
Kennedy-Ufer 2, 50679 Köln
Mi, Do, Fr, Sa: 12–18 Uhr, Di: 12–19 Uhr
Eintritt frei

Das Frizz23

Der schwarz strahlende turmartig gegliederte Querriegel am südlichen Ende der Friedrichstraße markiert einen Meilenstein in der Berliner Liegenschaftspolitik. Er zeigt, wie Stadtentwicklung „von unten“ dank der Initiative von Bürgern und lokalen Akteuren möglich und erfolgreich sein kann. Die Grundstücke rund um den ehemaligen Blumengroßmarkt waren seit Jahren heiß umworben. In dem städtebaulich fragmentierten Areal zwischen der Friedrichstraße und dem Jüdischen Museum hatte sich seit der Wende eine Vielzahl an Galerien, temporären Nutzungen, Einzelhandel und sozialen Initiativen angesiedelt. Aufgrund des Einsatzes verschiedener stadtentwicklungspolitischer Akteure vergab das Land Berlin drei von sechs Baufeldern an die überzeugendsten Konzepte anstatt an die höchsten Gebote. 

Mit der ungewöhnlichen Idee, Bildung, kreatives Gewerbe und temporäres Wohnen in einer Baugemeinschaft zu kombinieren, haben die Initiatoren von Frizz23 – Deadline Architekten und Forum Berufsbildung – 2014 den Zuschlag für das Grundstück zwischen der Markthalle und dem Besselpark bekommen. In fünf Jahren Planung, zwei Jahren Bauzeit und unermüdlichem Diskurs mit lokalen Akteuren, Bezirk und Senat haben sie mit den insgesamt 42 Mitgliedern der Baugruppe ein Haus geschaffen, das neben Forum Berufsbildung und einem Miniloft-Hotel Künstler, Architekten, Musiker, Autoren und Illustratoren, Redaktionen und Agenturen, Werkstätten für Fahrräder und Upcycling-Taschen sowie Gastronomie und Co-Working unter einem Dach vereint. Im Jahr 2018 wurde das Gebäude fertiggestellt.