Kaufhäuser, die einst als beliebte Einkaufsziele und kulturelle Treffpunkte galten, haben in den vergangenen Jahrzehnten Schiffbruch erlitten. Ihr Niedergang eröffnet aber auch Raum für neue Möglichkeiten und innovative Nutzungskonzepte, die das architektonische Potenzial dieser historischen Gebäude ausschöpfen. Im competitionline CAMPUS Award, unserem jährlichen Studierendenwettbewerb, sind Kaufhauskonversionen zu einem wiederkehrenden Thema geworden. Viele Studierende beschäftigen sich damit, wie die kolossalen Bestandsgebäude in den Stadtzentren neu belebt werden können.

Von originellen Bildungseinrichtungen über lebendige Kulturzentren bis hin zu urbaner Produktion – diese Einreichungen aus den vergangenen beiden Jahren zeigen Ideen auf, wie sich stillgelegte Kaufhausgebäude für neue Nutzungen transformieren lassen:

 

Contemporary Living LAB
von Nadine Eisenhauer, Leibniz Universität Hannover

In ihrem Entwurf beschäftigt sich Nadine Eisenhauer mit der Großstruktur des Karstadt-Gebäudes in Hannover. Das städtebauliche Konzept konzentriert sich auf die Integration von Grün- und Freiräumen mit Naherholungs- und Freizeitangeboten in den urbanen Kontext. Die Verfasserin strebt ein ausgewogenes Verhältnis zwischen öffentlichen und privaten Räumen sowie eine Mischnutzung aus Produktion, Einzelhandel, Arbeiten und Wohnen an.

Das Projekt zeigt am Beispiel des Karstadt Hannover einen Prototyp der Umnutzung von innerstädtischen Großstrukturen zu innovativen, modernen und produktiven Lebensräumen.

Das Projekt zeigt am Beispiel des Karstadt Hannover einen Prototyp der Umnutzung von innerstädtischen Großstrukturen zu innovativen, modernen und produktiven Lebensräumen.

Contemporary Living LAB verschränkt verschiedene Aspekte: lokale Produktion, Einzelhandel, moderne Arbeitswelten, Naherholung sowie Wohnangebote.

Contemporary Living LAB verschränkt verschiedene Aspekte: lokale Produktion, Einzelhandel, moderne Arbeitswelten, Naherholung sowie Wohnangebote.

Das Projekt Contemporary Living LAB setzt sich auch mit Aspekten der Nachhaltigkeit, effizienten Wirtschaftlichkeit und sozialen Beziehungen auseinander, beispielsweise durch die Förderung von nachbarschaftlichen Initiativen. Das bestehende tragende Stützenraster  ermöglicht flexible Raumgestaltungen für Arbeits- oder Wohnbereiche. Durch Shared Making Spaces, produktive Dachflächen, flexible Räume und die Förderung sozialer Interaktion will Eisenhauer mit ihrem Projekt zu einer nachhaltigen und lebendigen Innenstadt beitragen, die soziale Diversität unterstützt.

 

Galeria Pausenhof
von Annika Hopster und Sebastian Reitemeyer, Münster School of Architecture

Vom Einkaufsparadies zum Pausenort für die Stadtgesellschaft: Annika Hopster und Sebastian Reitemeyer verfolgen mit ihrem Redevelopment das Konzept der "Dritten Orte". Ihr Ziel ist es, im verwaisten Kaufhaus im Stadtzentrum von Hamm in Westfalen einen Ort der Teilhabe zu schaffen, der unabhängig vom Konsumgedanken funktioniert. Das Gebäude soll sich für die Stadt öffnen und als Aktivator für den Leerstand vielfältige Angebote in den Bereichen Kultur, Freizeit, Bildung und Wohnen bieten.

Der Entwurf will Innen- und Außenflächen zu einer harmonischen Einheit fügen: Die Stadthalle beispielsweise verbindet die Fußgängerzone durch das Gebäude hindurch mit einem rückwärtigen Platz. Dem Prinzip folgt auch ein Auditorium, dessen Bühne und Zuschauerraum auf den frontseitigen Platz erweitert werden können. Eine frei liegende Wendeltreppe und zwei neu hinzugefügte Erschließungskerne führen die Nutzer*innen in die oberen Geschosse. Von dort aus kann die Zweifach-Sporthalle betreten werden. 

Das leer stehende Kaufhaus des Galeria-Karstadt-Kaufhof-Konzerns in der Innenstadt von Hamm wird zum Aufenthalts- und Identifikationsort für Bürger*innen mit Angeboten in den Bereichen Kultur, Freizeit, Bildung und Wohnen umgenutzt.

Das leer stehende Kaufhaus des Galeria-Karstadt-Kaufhof-Konzerns in der Innenstadt von Hamm wird zum Aufenthalts- und Identifikationsort für Bürger*innen mit Angeboten in den Bereichen Kultur, Freizeit, Bildung und Wohnen umgenutzt.

Die Studierenden verwandeln den ehemals introvertierten, massiven Konsumtempel in zentraler Innenstadtlage zu einem belebten, extrovertierten Ort der Teilhabe.

Die Studierenden verwandeln den ehemals introvertierten, massiven Konsumtempel in zentraler Innenstadtlage zu einem belebten, extrovertierten Ort der Teilhabe.

Ergänzt werden die Hauptfunktionen um weitere flexible Nutzungen mit öffentlichem Wert: etwa eine Stadtmensa für die Mittagspause, ein Jugendzentrum oder eine Ausleihstation für Sportgeräte. Die einzelnen Geschosse sind nicht voneinander losgelöst, sondern mittels einer versetzten Stapelung über Sichtbeziehungen verbunden. Die Kaufhauskonversion wurde mit dem ersten Preis in der Kategorie Studierendenarbeiten beim competitionline CAMPUS Award 2022 ausgezeichnet. Lesen Sie hier mehr über das Projekt.

 

Da ist der Wurm drin
von Theresa Kullmann, Universität Kassel

Auf eine Mixed-Use-Programmierung setzt auch Theresa Kullmann in ihrer Arbeit. Ihr Entwurf für das Karstadt-Gebäude auf der Frankfurter Zeil sieht vor, die statische Basis des Gebäudes sowie teilweise Erschließungs- und Servicestrukturen zu erhalten. Das Bestandsgebäude ist in einem klaren Raster aus Stützen und Unterzügen aufgebaut, an dem sich die für den Entwurf charakteristischen subtraktiven Eingriffe orientieren. 

Die von der Verfasserin als "Durchwurmungen" bezeichneten räumlichen Verbindungen durchdringen die Rasterfelder und schaffen öffentliche Freiräume. So verbindet eine Treppe die Zeil mit dem neu erschlossenen Dachbereich des Gebäudes. Stadtterrassen dienen zugleich als Rundweg sowie Arbeits- und Freizeitfläche. Weitere Elemente verbessern die Belichtung der Innenräume, schaffen Platz für Klettersport oder dienen einer neu geordneten Erschließung des Gebäudes.

In ihrem Projekt bricht die Verfasserin das massive Gebäude auf, um öffentliche Freiräume zu schaffen und die Belichtungssituation zu verbessern.

In ihrem Projekt bricht die Verfasserin das massive Gebäude auf, um öffentliche Freiräume zu schaffen und die Belichtungssituation zu verbessern.

Ausgehend von der bestehenden Struktur nimmt Kullmann subtraktive Eingriffe am Bestandsgebäude vor und schafft auf diese Weise neue Funktionen.

Ausgehend von der bestehenden Struktur nimmt Kullmann subtraktive Eingriffe am Bestandsgebäude vor und schafft auf diese Weise neue Funktionen.

Im Inneren entsteht ein Funktionsmix, der verschiedene Teile der Stadtgesellschaft ansprechen soll. In den unteren Geschossen bietet das Gebäude einen Supermarkt, gastronomische Einrichtungen, Veranstaltungs- und Ausstellungsräume sowie eine Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Über Bibliotheksbereiche und ein öffentliches Wohnzimmer gelangen die Nutzer*innen zu Bereichen gemeinschaftlichen Arbeitens und Produzierens. Im obersten Geschoss werden diese Funktionen durch einen Kindergarten komplettiert.

 

Paradigmenwechsel – Transformation Kaufhaus
von Wenzel Meyer, Karlsruher Institut für Technologie

Die Masterarbeit von Wenzel Meyer versteht sich als Modellprojekt, dessen Prinzipien auf jede größere deutsche Stadt übertragbar sind. In dem Entwurf spaltet der Verfasser das einheitliche Volumen des Darmstädter Karstadt-Gebäudes in vier Einzelkörper auf, die im Untergeschoss weiterhin verbunden bleiben. Der neu entstehende Stadtraum zwischen den Gebäudeteilen reagiert auf die umliegende Stadtstruktur und soll den Erlebnischarakter der Umgebung steigern. 

Die Besonderheit des Entwurfs liegt in seinem Re-Use-Ansatz: Die Betonfassaden und andere Materialien, die bei der Transformation anfallen, werden nicht entsorgt, sondern am Ort für die neuen Gebäudehüllen wiederverwendet. Die entstehende Raumstruktur ist im Gegensatz zum Bestandsgebäude flexibel gestaltet und soll die soziale Nachhaltigkeit der Immobilie langfristig gewährleisten.

Aus eins mach vier: Meyer spaltet das Volumen des Bestandsgebäudes auf und ermöglicht eine Durchwegung innerhalb des Stadtraums.

Aus eins mach vier: Meyer spaltet das Volumen des Bestandsgebäudes auf und ermöglicht eine Durchwegung innerhalb des Stadtraums.

Das Gebäude bleibt im Untergeschoss verbunden, sodass die Funktionen innerhalb des Komplexes von Synergien profitieren können.

Das Gebäude bleibt im Untergeschoss verbunden, sodass die Funktionen innerhalb des Komplexes von Synergien profitieren können.

Darüber hinaus ermöglichen die architektonischen Veränderungen eine energieeffizientere Beleuchtung und Belüftung. Das großflächige Untergeschoss bietet Platz für innovative innerstädtische Konzepte wie urbane Produktion. Insgesamt entsteht ein vielseitiger Anziehungspunkt, der durch die Synergie von Kultur, Konsum, Kreativität, aber auch Wohnen und Produktion als Impulsgeber auf seine Umgebung wirken kann.

 

BIG ideas for BIG spaces
von Rosa Walz, Hochschule für Technik Stuttgart

Mit einer Zusammenstellung von kollagenartigen Ideen möchte Rosa Walz Möglichkeiten aufzeigen, wie Kaufhausgebäude radikal als Hybride umgenutzt werden können. Ihr Entwurf konzentriert sich auf die Nachnutzung eines in den 1970er Jahren errichteten Kaufhauses in der Stuttgarter Innenstadt. Die Verfasserin behält weitestgehend das Traggerüst aus Decken, Treppen, Aufzügen und Stützen bei. Auch für die Fassade wählt Walz eine nachhaltige Lösung und verwendet recycelte Elemente.

Um das Innere des Gebäudes mit Licht zu durchfluten, setzt die Verfasserin runde Deckeneinschnitte im Zentrum des Gebäudes ein. Den Charakter des ehemaligen Kaufhauses möchte sie durch die Beibehaltung der bestehenden Rolltreppen innerhalb der kreisförmigen Ausschnitte bewahren. In diesem Bereich entsteht eine grüne Oase, die als Bindeglied zwischen dem Eingangs- und dem Dachgeschoss fungiert. Die an das Zentrum anknüpfenden Geschosse bieten offen gestaltete, gemeinschaftliche Bereiche.

Ein kreisförmiger Einschnitt bildet als grüne Oase das Zentrum des Gebäudes und dient als Verteiler für die umliegenden Funktionen.

Ein kreisförmiger Einschnitt bildet als grüne Oase das Zentrum des Gebäudes und dient als Verteiler für die umliegenden Funktionen.

Ein bunter Mix aus Gemeinschaft und Privatem, von Innen und Außen, sowie eine Vielfalt an Funktionen prägen das Gebäude.

Ein bunter Mix aus Gemeinschaft und Privatem, von Innen und Außen, sowie eine Vielfalt an Funktionen prägen das Gebäude.

Das großzügige Erdgeschoss mit einer Raumhöhe von bis zu sieben Metern wird zu einem attraktiven und wettergeschützten Ort. Innen- und Außenraum fließen nahtlos ineinander über und bieten Platz für Kunst, Kultur und Gastronomie. Die Hausgemeinschaft besteht aus verschiedenen Wohnformen, darunter temporäres, Cluster- und gemeinschaftliches Wohnen. Der Gemeinschaftsgedanke findet sich auch im öffentlich zugänglichen rückgebauten Obergeschoss wieder. Dieses bietet Raum für Ruhepausen, Entspannung oder sportliche Aktivitäten.

 

Hannover City Hybrid
von Hannah Schelling und Hannah Selina Dietze, Leibniz Universität Hannover

Das Galeria-Kaufhaus in der Seilwinderstraße in Hannover ist ein Zeitzeuge seiner Ära: Es wurde 1975 als Horten-Filiale eröffnet, wirkt massiv in seiner Erscheinung und ist mit der charakteristischen Kachelfassade ausgestattet. Über die Jahre hinweg diente es als kommerzieller Ort. Heute steht nicht mehr der Konsum im Vordergrund, sondern die Schaffung einer lebenswerten Stadt. Hier setzt das Projekt Hannover City Hybrid an.

"Alte Strukturen müssen sich dem Wandel hingeben, die City ein attraktiverer und grünerer Wohnort sein, der neben dem Einzelhandel und Bürobetrieb funktionieren kann. Ein Wohnraum, der trotz seiner Zentralität bezahlbar ist", so beschreiben es die Verfasserinnen. Der von ihnen entworfene City-Hybrid vereint Wohnen, Arbeiten und Freizeit in einem Komplex. 

Von kolossal zu kleinteilig: Das Bestandsgebäude gliedern die Verfasserinnen in besser nutzbare Einheiten.

Von kolossal zu kleinteilig: Das Bestandsgebäude gliedern die Verfasserinnen in besser nutzbare Einheiten.

"Die Innenstädte brauchen zudem weitere kleinteilige, begrünte Flächen, die in ihrer Nutzung nicht dem Konsum versprochen sind", so die beiden Autorinnen. Ein wesentliches Element des Entwurfs ist entsprechend ein neu gestalteter Platz, der sich zur Straße hin öffnet.

 

Bude
von Dimitrios Traianos, Lea Charlotte Gotthardt und Elsa Günther, HafenCity Universität Hamburg

Die Verfasser*innen transformieren den Karstadt Sports in der Hamburger Mönckebergstraße zu einem integrativen Stadtlabor, das zur Diskussion über die urbane Zukunft einladen soll. An diesem neu geschaffenen Kommunikationsort können Workshops und partizipative Veranstaltungen zur Entwicklung innovativer Stadtkultur stattfinden. Interessenvereine, Initiativen, aber auch spontan interessierte Akteur*innen finden hier einen Ort zum Austausch.

Die Potenziale des Bestandes sollen durch den Rückbau von Fassade, Haustechnik und Rolltreppen sichtbar gemacht werden. Es entsteht ein "gestapelter Stadtraum", der durch zwei offengelegte notwendige Treppenhäuser erschlossen wird. Angelehnt an den historischen Kontext und das Konzept der kleinteiligen Budenstadt aus Marktständen (ca. 1950) werden verschiedene Volumina nach einem Raum-in-Raum-Prinzip eingestellt. So entsteht eine Komposition von warmen Nutzungsräumen und kaltem Stadtraum.

Der Bestand wird zunächst durch subtraktive Eingriffe auf einen neutralen Stand gebracht. Anschließend fügen die Verfasser*innen Raum-in-Raum-Installationen hinzu, die sich an der Hamburger Budenstadt orientieren.

Der Bestand wird zunächst durch subtraktive Eingriffe auf einen neutralen Stand gebracht. Anschließend fügen die Verfasser*innen Raum-in-Raum-Installationen hinzu, die sich an der Hamburger Budenstadt orientieren.

Die oberen beiden Geschosse behalten ihre ursprüngliche Funktion als Sportnutzung bei und werden um Grünflächen ergänzt. Das Erdgeschoss widmet das Projektteam zu einer schwellenlosen, überdachten Bühne und einem öffentlichen Platz um.

Artikelserie

In den kommenden Wochen stellen wir in mehreren Artikeln konkrete Projekte vor, wie leer stehende Kaufhäuser einer neuen Nutzung zugeführt werden können. Unsere Serie widmet sich neben Best-Practice-Beispielen auch ganz grundsätzlich den Herausforderungen von Kaufhaus-Umnutzungen sowie Lösungswegen für den Umgang mit leer stehenden Handelsimmobilien in Innenstädten.

Der Artikel erschien erstmals am 29. Juni 2023 auf competitionline.com.